Der Anschlag auf Charlie Hebdo war der Anfang einer islamistischen Terrorserie: Die Attentate von Paris im November 2015, die Anschläge von Brüssel im März 2016 und die Amokfahrt eines islamistischen Attentäters auf der Strandpromenade von Nizza im Sommer 2016. Immer wieder gab es in diesem Komplex auch Verbindungen nach Belgien.
Frederic van Leeuw, Föderaler Staatsanwalt, erinnert sich noch sehr genau. Angefangen hatte es mit Mehdi Nemmouche, dem Attentäter auf das Jüdische Museum in Brüssel, im Mai 2014. Ab da verfolgten die belgischen Sicherheitsbehörden verschiedene islamistische Spuren. Darunter auch zwei Männer, die sich in einem Haus in Verviers verschanzt hatten.
Die Initialzündung, um die Vervierser Terrorzelle hochzunehmen, waren dann ausgerechnet die dreitägigen Nonstop-Live-Reportagen im französischen Fernsehen nach dem Charlie-Hebdo-Attentat.
Seine Beamten waren gerade dabei, die beiden Tag und Nacht zu beobachten, als das Attentat passierte, erzählt van Leeuw. Dabei konnten sie sehen und vor allem auch hören, dass auch die beiden Männer in Verviers wie gebannt vor dem Fernseher saßen.
Den Behörden war nicht klar, ob es nicht vielleicht doch Anschlagspläne waren, die die beiden in Verviers da ausheckten. Eins war auf jeden Fall sicher: Die Männer waren gefährlich.
Abdelhaamid Abaaoud, der Drahtzieher der Pariser Attentate vom November 2015, war auch Organisator der Vervierser Terrorzelle. Er befand sich zu dem Zeitpunkt in Griechenland, stand aber mit den Männern in Verviers in Kontakt.
Und weil die Behörden inzwischen auch wussten, dass es weitere Terrorzellen gab, wollte man den Zugriff in Verviers so lange wie möglich hinauszögern, um noch mehr zu erfahren.
Doch die Observationen machten deutlich: Es wurde höchste Zeit einzugreifen, auch wenn damit die Ermittlungen zu Ende waren.
Am 15. Januar, eine Woche nach Charlie Hebdo, stürmte die Polizei das Haus in der Rue de la Colline, die beiden Männer wurden getötet. Später wurden mehr als ein Dutzend weitere Verdächtige festgenommen.
Die Ermittlungen zogen immer weitere Kreise, und die Erkenntnis wuchs, dass es eine regelrechtes islamistisches Terrornetzwerk gab, erzählt Fréderic Van Leeuw. Erstaunlich dabei war, dass viele Kleinkriminelle die beiden in Verviers logistisch unterstützten, so der föderale Staatsanwalt.
Wenn heute der Prozess in Paris beginnt, dann stehen die Attentäter nicht vor Gericht, sie sind tot. Aber 14 Personen aus dem Umfeld wurden angeklagt. Für Fréderic van Leuuw macht das keinen großen Unterschied.
Die Attentäter konnten nur handeln, weil es Personen gab, die sie unterstützten. Und wie diese Hilfe aussah, das muss das grundlegende Interesse dieses Prozesses sein.
Volker Krings