Es ist der 24. Februar 2018. Jozef Chovanec, der eine Firma besitzt, die in Belgien slowakische Arbeiter auf Baustellen einsetzt, will, wie so oft, aus Belgien in sein Heimatland zurückfliegen. Auf den 38-Jährigen warten in Bratislava am Flughafen Frau und kleine Tochter. Nur kommt er nie dort an.
Nach Nachfragen der besorgten Familie wird mitgeteilt, dass er am Flughafen von Charleroi in Gewahrsam genommen worden ist. Nach Darstellung der Polizei hat Chovanec beim Boarding einen Mitarbeiter der Fluglinie beiseite geschoben und das Flugzeug bestiegen, ohne sein Ticket vorzuzeigen. Weil die Crew den Eindruck hat, der Mann sei auffällig nervös und deshalb Probleme fürchtet, verweist sie ihn der Maschine. Als die Flughafenpolizei auf dem Rollfeld erscheint, soll sich Chovanec widersetzt haben und die Beamten hätten ihn wegtragen müssen. Sein Ticket wird in seiner Jackentasche gefunden.
Der Arzt, der entscheiden muss, ob Chovanec über Nacht in der Polizeizelle bleiben kann, führt seine Untersuchung wohl nur durch das Guckloch der Zelle durch, bevor er seine Entscheidung trifft. Er vermerkt in seinem Bericht, dass Chovanec erweiterte Pupillen gehabt habe, was seiner Meinung nach auf den Konsum von Alkohol oder Drogen hindeuten könne, der Mann verhalte sich aber ruhig. Bei der Autopsie wird sich später herausstellen, dass weder Drogen noch Alkohol im Spiel waren.
Zwei Stunden nach dem Arztbesuch, es ist inzwischen halb zwei Uhr morgens, beginnt Jozef Chovanec, gegen die Tür seiner Zelle zu treten und zu hämmern. Nachdem zwei Beamte den Raum betreten, beruhigt sich der Mann wieder und legt sich hin, das zeigen die geleakten Bilder der Überwachungskamera. Bis gegen vier Uhr morgens kommt es zu weiteren Zwischenfällen. Gegen 4:20 Uhr beginnt Chovanec, seinen Kopf gegen die Wände zu schlagen, bis er schwer blutet. Erst zehn Minuten später rücken die Polizeibeamten mit einem Schutzschild an, Chovanec ist jetzt schon übel zugerichtet, treiben ihn in eine Ecke und drücken ihn aufs Bett. Er wird an Händen und Füßen gefesselt und gibt den Widerstand zunächst auf. Aber als Feuerwehr und Sanitäter eintreffen, fängt Chovanec erneut an zu toben.
Sechs Beamte der föderalen Polizei befinden sich jetzt in der Zelle. Die Beamten wickeln dem Slowaken eine blaue Decke um den Kopf und lehnen sich minutenlang mit vollem Körpereinsatz auf ihn. Sie werden später aussagen, dass sie den Mann so beruhigen wollten. Außerdem wird ihm ein Beruhigungsmittel verabreicht, die Beamten stellen aber kurz darauf fest, dass er keinen Herzschlag mehr aufweist. Er wird wiederbelebt und ins Krankenhaus transportiert, wo er später sterben wird.
Seine Witwe reicht daraufhin bei der Staatsanwaltschaft Charleroi Klage gegen Unbekannt ein, zweieinhalb Jahre ist das mittlerweile her. Und die Staatsanwaltschaft ist von Beginn der Untersuchung an im Besitz der Videoaufnahmen aus der Zelle, die Witwe bekommt die Bilder erstmals im September 2018 zu sehen.
Diese hochbrisanten, jetzt geleakten Aufnahmen ohne Ton, die am Mittwoch von der Zeitung Het Laatste Nieuws veröffentlicht wurden, zeigen neben dem eigentlichen Niederringen von Jozef Chovanec, das nicht von ungefähr Erinnerungen an den Tod von George Floyd provoziert, noch etwas ganz anderes. Während des Vorfalls machen die Beamten nämlich offenbar Witze und scherzen miteinander, eine Polizistin führt sogar ein Tänzchen auf und zeigt, mit den Fingern ein Hitlerbärtchen imitierend, mit gerecktem rechtem Arm den Nazi-Gruß. Das alles, während direkt neben ihr ein Mann stirbt.
Und genau diese, man kann es kaum anders sagen, abstoßenden Bilder, sorgen jetzt für Entsetzen nicht nur bei der föderalen Polizei, die mitteilt, dass sie die Aufnahmen vorher nicht kannte, sondern bis hinein in die höchste Politik. Seit Mittwoch ist die Polizistin jetzt vom Außendienst suspendiert. Die Staatsanwaltschaft Charleroi teilte mittlerweile mit, dass die Untersuchung der genauen Todesumstände von Jozef Chovanec noch laufe. Parallel dazu wurden nach der Veröffentlichung des Sicherheitsvideos weitere Disziplinarmaßnahmen bei der föderalen Polizei eingeleitet.
Er habe sehr viele Fragen zum Verhalten der Polizisten, sagte Lennert Dierickx, ein Anwalt der Witwe Chovanecs in der RTBF. Das Verhalten der Polizei sei weder irgendwie professionell gewesen, noch sei das eine den Umständen gemäße Atmosphäre gewesen, beklagte er. Chovanec habe eindeutig Hilfe benötigt.
Er verstehe nicht im Geringsten, warum in aller Welt die Beamten in so einer Situation Witze gemacht und den Hitlergruß gezeigt hätten, so Dierickx.
Auch Henrieta Chovancová fordert endlich Klarheit über den Tod ihres Mannes. Sie wolle endlich wissen, warum das alles ihrem Mann zugestoßen sei, erklärte sie in der VRT. Und warum sich die Polizeibeamten so verhalten hätten, warum sie ihrem Mann nicht geholfen hätten.
Boris Schmidt
Es ist in diesem Fall zu dringend aufzuklären, warum ein solch „bedenkliches“ Vorkommnis nicht auf dem offiziellem Wege, also die Hierachieebene aufwärts, gemeldet wird. Die Brisanz dieses Vorfalls, aufgrund der Todesfolge des slowakischen Mannes, geht bis in den politischen Leitungsbereich hinein. Was wäre passiert, wenn die Frau des Opfers nicht so vehement zivilrechtlich dagegen vorgegangen wäre? Dann wären die Öffentlichkeit und die politisch Verantwortlichen immer noch ahnungslos. Es muss nun dringend aufgeklärt werden und auch Konsequenzen gezogen werden. Die Versetzung einer Polizistin in den Innendienst, die offen Symbole verfassungsfeindlicher Organisationen verwendet, ist gelinde gesagt ein Witz.
Herr Pieter de Crem, bei allem Respekt, treten Sie als zuständiger föderaler Innenminister zurück!
Sehr interessant das die Staatsanwaltschaft von der Überwachungskamera angeblich nicht wusste. Falls man irgendwo Überwachungskameras hat, man weißt auch das man sie dort hat. Punkt. Da hat das ganze Belgische Justizsystem vermutlich Leichen im Keller. Der Innenminister soll sich von Internationaler Gemeinde ordentlich schämen. Die Versetzung einer Polizistin in den Innendienst ist lächerliche Augenwischerei. PS: Man sollte gleichzeitig Alkohol und Drogentest bei der Polizisten durchführen.
Hier stinkt es ganz gewaltig...