"Wie Sie sehen ist der Sicherheitsabstand um mich herum eingehalten. Deswegen habe ich meine Maske abgenommen, damit mich jeder versteht". Premierministerin Sophie Wilmès wollte offensichtlich mit gutem Beispiel vorangehen. Sie gab ihre Pressekonferenz von einem alleinstehenden Rednerpult aus, nicht wie sonst am Tisch, flankiert von den Ministerpräsidenten. Und sie wollte sich offensichtlich nicht den Vorwurf machen lassen, dass ausgerechnet sie sich nicht an die neuerliche Maskenpflicht in geschlossenen öffentlichen Räumen halten würde.
Eben diese Maskenpflicht stand auch erstmal im Mittelpunkt. Wobei die Entscheidung ja eigentlich schon ein paar Tage alt ist. Buchstäblich über Nacht war der Beschluss Ende letzter Woche gefallen. "Warum haben wir das gemacht?", fragte rhetorisch die Premierministerin. "Nun, weil es andere Zeiten sind. Die Dinge verändern sich, unsere Gewohnheiten, unser Wissen über die Krankheit. Die Maske gehört inzwischen zu unserem Alltag. Wir haben inzwischen wieder wesentlich mehr Kontakt mit unseren Mitmenschen. Und, ja, wir sind vielleicht auch nachlässiger geworden." Deswegen eben die Maskenpflicht.
Und, die jüngsten Entwicklungen scheinen den Regierungschefs des Landes recht zu geben. Die Zahl der Neuinfektionen ist ja in den letzten Tagen zaghaft, aber stetig gestiegen. "Was bedeutet, dass die Epidemie langsam wieder Fahrt aufnimmt. Und das ist nicht gut", sagte Wilmès.
NSR entscheidet, erstmal nicht zu entscheiden
Und genau das ist der Grund, weswegen die Einführung einer Maskenpflicht Ende letzter Woche erstmal die letzte Entscheidung war, die die Regierungen des Landes in diesem Zusammenhang getroffen haben.
Eigentlich stand ja die Einleitung von Phase 5 der Lockerungen auf der Tagesordnung des Nationalen Sicherheitsrates. Nur, eben wegen der besorgniserregenden Zahlen wollte man da jetzt nicht schon entscheiden müssen. "Wir werden uns darüber am Donnerstag kommender Woche aussprechen", sagte Wilmès. "Und, wenn wir tatsächlich grünes Licht für Phase 5 geben sollen, dann darf sich die Situation nicht mehr verschlimmern."
Damit bleibt auch die Kontaktblase vorerst auf 15 Personen beschränkt. Die Situation müsse genau beobachtet werden, sagte Premier Sophie Wilmès. Sie appellierte besonders an Urlauber, wachsam zu sein und sich strikt an alle Maßnahmen zu halten.
Kalte Dusche für Event-Sektor
Dass die Entscheidung über Phase 5 der Lockerungen verschoben wurde, ist vor allem eine kalte Dusche für den Event-Sektor, also etwa für Organisatoren von Konzerten oder Handelsmessen. Denn insbesondere um diese Branche ging es in Phase 5. Im Moment sind ja nur bis zu 200 Personen bei Innenveranstaltungen erlaubt und maximal 400 bei Außenevents. Der bisherige Zeitplan sah vor, dass diese Zahlen ab dem 1. August verdoppelt werden. Dahinter steht also erstmal noch ein Fragezeichen.
Außerdem hatte sich der Sektor aber auch noch eine längerfristige Perspektive gewünscht, irgendeine Form von Planungssicherheit. Und auch da wird man sich erstmal noch gedulden müssen. Wobei: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, betonte die Premierministerin. Nur hänge eben alles ab von der weiteren Entwicklung der sanitären Situation.
Weckruf
Was für den Event-Sektor durchaus schmerzhaft sein muss, das sollte aber auch ein Weckruf für alle Bürger sein. Auch das war wohl eine Botschaft des Nationalen Sicherheitsrates. "Die Krankheit ist nicht weg", mahnte Sophie Wilmès. Und wir alle könnten durch unser Verhalten unseren Beitrag leisten, dass die Epidemie nicht wieder außer Kontrolle gerät. Die beste Vorbereitung auf eine zweite Welle, das sei immer noch, sie zu verhindern.
Wobei: Belgien habe durchaus auch seine Lehren aus der Krise gezogen. Man sei jetzt um Längen besser aufgestellt als noch zu Beginn der Pandemie. Die Test-Kapazitäten sollen weiter ausgebaut werden. Außerdem stehen ihren Angaben nach Ende August 200 Millionen chirurgische Masken, 33 Millionen FFPS-Masken und fünf Millionen Stoffmasken als Reserve zur Verfügung. Darüber hinaus hätten die Krankenhäuser ihre Notfallpläne angepasst. Auch in den Regionen seien Pläne erstellt worden, um im Falle von lokalen Infektionsherden schnell eingreifen zu können, zum Beispiel durch mobile Einheiten.
Wenn jedenfalls der derzeitige Trend andauert, dann wird Phase 5 verschoben, machte Wilmès klar. "Und, sollte sich die Situation weiter verschlimmern, dann sind wir auch bereit, die Schrauben wieder anzuziehen; wie wir es immer gesagt haben."
Paasch steht zu der Entscheidung
Mit am Tisch des Nationalen Sicherheitsrates saßen auch wieder die Ministerpräsidenten der Gemeinschaften und Regionen des Landes, für die Deutschsprachige Gemeinschaft also Oliver Paasch.
Paasch steht zu der Entscheidung, erstmal nichts zu entscheiden, wie er im Anschluss an die Sitzung sagte. "Die Entwicklung der epidemiologischen Zahlen in den letzten fünf bis sechs Tagen war doch sehr ungünstig. Es gibt keinen Grund zur Panik, die Zahlen sind noch nicht alarmierend, aber in gewisser Weise doch beunruhigend.
"Deswegen hat man entscheiden, so zu handeln, wie man es auch in den vorherigen Monaten vor Beginn einer jeden Exit-Phase getan hat: nämlich nur wenige Tage vor dem neuen Monat eine definitive Entscheidung zu treffen, ob man in eine neue Ausstiegsphase eintreten kann oder nicht.
belga/km/rop
Heisst das dass wieder mit Grenzschliessungen zu rechnen ist?