Der Virologe Marc Van Ranst legte am Montag vor der Corona-Untersuchungskommission des flämischen Parlaments den Finger in die Wunde. Das System zur Kontaktnachverfolgung funktioniere noch immer nicht gut. Viele der Contact Tracer säßen herum und drehten Däumchen, weil ihnen Arbeit fehle.
Paradox: Gleichzeitig steigen seit fast einer Woche die Neuinfektionen in Belgien wieder. Und beschweren sich positiv auf das Virus getestete Menschen immer wieder, dass selbst Tage nach ihrem Befund noch immer niemand bei ihnen angerufen hat, um ihre Kontakte abzufragen. Es ist also klar: Hier ist definitiv noch Luft nach oben.
Karine Moykens, Präsidentin des Interföderalen Komitees Tests und Tracing und in Flandern verantwortlich für die Kontaktnachverfolgung, wollte die Kritik von Van Ranst aber wohl nicht unkommentiert im Raum stehen lassen. Man sei sehr wohl vollauf mit dem Contact Tracing beschäftigt, sagte sie in der VRT. Es sei bestimmt nicht so, dass sich hier zurückgelehnt und nichts getan werde.
Das System funktioniere, man nehme Kontakt mit den Menschen auf. Das bedeute aber nicht, dass man nicht systematisch nach Verbesserungsmöglichkeiten suchen müsse, so Moykens. Und besonders nach Wegen, es schneller zu machen, weil Geschwindigkeit entscheidend sei. Deswegen arbeite man daran, den Datenfluss von den Test-Laboren zum Institut für Volksgesundheit und von dort zu den Callcentern der Kontaktnachverfolger zu verbessern. Die jetzige Datenbank funktioniere in dieser Hinsicht nicht optimal. Bis Ende August soll deswegen eine komplett neue Datenbank geschaffen werden, um dieses und andere Probleme zu lösen, so Moykens.
Außerdem gibt es auch noch ein anderes, altbekanntes Problem: Manche Menschen sind nicht sehr auskunftsfreudig, was ihre Kontakte angeht. Und wenn sie dabei nicht aufrichtig seien, funktioniere das ganze Nachverfolgungssystem nicht, erinnerte Moykens.
In all diesen Punkten stimmt der Epidemiologe und Vakzinologe Pierre Van Damme Moykens zu. Allerdings sei der angepeilte Termin von Ende August zu spät, wie er in der VRT sagte. Das System müsse eigentlich Ende Juli optimal laufen, damit man alles aufeinander abstimmen könne. Und mit der jetzigen Arbeitsweise werde man eigentlich viel zu spät informiert. Und das wiederum bedeute, dass die Rückverfolgung des Virus sich noch weiter verzögere und schwieriger werde. Und das könne man in einer Krise, wenn das Virus zirkuliere, nicht zulassen, da müsse man viel schneller reagieren können, so Van Damme.
System besser nutzen
Darüber hinaus will er das System besser nutzen lassen. Jetzt handele es sich noch um ein reines Kontaktnachverfolgungssystem, aber er würde es begrüßen, wenn es zu einem System zum Aufspüren der Infektionsquellen ausgebaut würde, so Van Damme. Das würde bedeuten, dass man erfasste Daten zum Beispiel miteinander abgleichen könne, um herauszufinden, ob und wo sich viele Menschen angesteckt haben könnten, sprich den ursprünglichen Infektionsherd ausfindig machen. Das würde es ermöglichen, viel schneller zu reagieren und zusammen mit der Gesundheitsinspektion Schritte zur Eindämmung unternehmen zu können.
Er wünsche sich, dass Infizierte neben ihren Kontakten auch systematisch nach ihren Aufenthaltsorten der vergangenen zwei Wochen gefragt würden. Das sei wichtig, um Infektionscluster zu identifizieren, so Van Damme.
Das ist allerdings im Moment nicht möglich, da strenge Regeln zum Schutz der Privatsphäre den Kontaktnachverfolgern nicht erlauben, solche Fragen zu stellen, erklärte Karine Moykens. Zumindest nicht, wenn die Infizierten sich nur in Belgien aufgehalten hätten. Bei Auslandsaufenthalten wäre es hingegen erlaubt. Sie glaube auch nicht, dass die Menschen bereit seien, vollständige Auskunft darüber zu geben, wo sie sich überall aufgehalten hätten. Sie bevorzuge, zumindest die Kontaktpersonen zu erfahren, anstatt durch zu hartnäckiges Nachbohren jegliches Vertrauen zu verspielen.
Boris Schmidt
Das das Kontakt-Tracing nicht funktioniert wie geplant ist leicht zu verstehen. Die Menschen haben einfach kein Vertrauen in den Staat nach all den Pannen während der Coronakrise. Man weiß nicht, ob die Daten ordnungsgemäß verwendet und dann auch vernichtet werden. Zusätzlich hat kein Mensch Lust, andere an zu schmieren. Das tut ein anständiger Mensch nicht.
Am einfachsten ist es, wenn ein Infizierter selbst seine Kontakte anruft.