"Tun Sie das, was Sie eigentlich tun sollten, tun Sie das im Moment bitte noch nicht!". So oder so ähnlich äußerte sich am Mittwochabend Yves Van Laethem, der Sprecher der Arbeitsgruppe Corona. Schon seltsam, wenn ein Vertreter des Gesundheitsministeriums also im Grunde das Gegenteil dessen predigen muss, was er eigentlich empfiehlt.
Was war da los? Nun, Van Laethem war eigentlich da, um die famose Reise-Ampel zu erläutern. Das Prinzip klingt ja zunächst denkbar einfach: Ländern, aber auch Regionen und sogar Städten soll ab jetzt ein Farbcode zugeordnet werden. Code "grün", das sagt was es sagt, dort ist das Ansteckungsrisiko minimal. In einer orangen Zone gilt die Gefahr schon als "hoch". Urlaubern, die sich dort aufgehalten haben, wird "wärmstens empfohlen", sich nach ihrer Rückkehr in Quarantäne zu begeben und testen zu lassen. Und dann gibt es noch die Gebiete, für die Code "rot" gilt. Grob gesagt handelt es sich um Regionen, in denen neue Ausgangsbeschränkungen verhängt wurden. Wer sich dort aufgehalten hat, der wird als "Hochrisiko-Person" eingestuft und muss nach seiner Rückkehr zwingend in Quarantäne.
Welche Farbe welchem Gebiet zugeordnet wird, legt das Außenministerium fest, genau gesagt die für die Risikobewertung zuständige Arbeitsgruppe Celeval. An der Erstellung der Liste sind auch Experten der Gesundheitsbehörde Sciensano beteiligt.
Virologen begrüßen Ampelsystem
Experten haben den Beschluss zur Einführung einer sogenannten "Reise-Ampel" begrüßt. Es sei sinnvoll, dass jetzt alle Bürger permanent darüber informiert werden sollen, welche Regionen sicher sind und welche nicht, sagte der Virologe Steven Van Gucht in der VRT.
Diese Reise-Ampel sei ein bisschen holterdiepolter eingeführt worden, räumten die medizinischen Experten des Gesundheitsministeriums ein. Aber, immerhin, jetzt gebe es ja ein einheitliches System, das die Heimkehr aus dem Urlaub regelt.
Van Gucht wies aber darauf hin, dass es auch in grün gekennzeichneten Urlaubsgebieten wichtig sei, sich an Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen zu halten.
Das System ist allerdings noch nicht einsatzbereit. Wenn man noch am Donnerstagvormittag die Seite des Außenministeriums konsultierte, dann stellte man fest: Länder wie Norwegen oder Finnland gelten als "rote Zonen". "Wieso das denn?", fragt man sich, und glaubt schon, dass man vielleicht den Ausbruch neuer Krankheitsherde in diesen Ländern nicht mitbekommen hätte.
Logik umgedreht
Die Erklärung ist aber eine ganz andere: Die Informationen auf der Seite basieren noch auf dem alten System. Die "rote Ampel" hatte bislang eine andere Bedeutung, sagte auch Yves Van Laethem in der RTBF. Bislang bezog sich diese Ampel auf die Möglichkeit der Einreise. Und, im Falle Norwegens und Finnlands ist es so: Diese Länder verweigern den Belgiern den Zugang zu ihrem Territorium. Deswegen eben der Appell: Schauen Sie bitte im Moment nicht auf die Seite des Außenministeriums.
Jetzt wird also die Logik umgedreht. Grob gesagt: Bislang zeigte die Ampel an, wohin Belgier Reisen dürfen. Ab jetzt soll es so sein, dass die Ampel darüber entscheidet, was bei der Heimkehr zu geschehen hat. Im schlimmsten Fall, also wenn man aus einer roten Zone nach Belgien zurückkommt, wird man eben zu einer 14-tägigen Quarantäne verpflichtet, inklusive Tests.
Und die Umstellung läuft noch. Besagte Arbeitsgruppe Celeval soll am Donnerstag die einzelnen Risikobewertungen vornehmen.
Geduld ist hier ohnehin das Gebot der Stunde. Vieles von dem, was da am Mittwoch beschlossen wurde, kann im Moment schlichtweg noch nicht in die Tat umgesetzt werden, da auf allen Ebenen erst noch Gesetze, bzw. Dekrete entsprechend angepasst werden müssen.
Ein Blick auf den Kalender reicht aber, um - sagen wir - ein leichtes Jucken auf der Kopfhaut zu verspüren. Dr. Philippe Devos, der Vorsitzende der Ärztegewerkschaft ABSyM, brachte es in der RTBF auf den Punkt: "Wir sind doch alle ein bisschen erstaunt darüber, dass der Regierung jetzt einfällt, dass die Belgier im Juli in den Urlaub fahren".
Warum erst jetzt?
"Kommt das Ganze nicht ein bisschen spät?", wurde auch Yves Van Laethem in der RTBF gefragt. Seine Antwort war dann doch entwaffnend ehrlich: "Das Ganze hätte ein paar Wochen früher passieren dürfen, das wäre für alle Beteiligten bestimmt nicht verkehrt gewesen".
Die nächste Frage zwingt sich quasi auf: "Warum hat man das alles denn nicht vor dem Urlaubsbeginn geregelt?". Wieder eine ungewöhnliche klare Antwort des Sprechers der Corona-Arbeitsgruppe: "Ich habe keinen blassen Schimmer; ich kann's Ihnen nicht sagen".
Wobei: "Es ist ja nichts passiert", rechtfertigt sich Yves Van Laethem dann doch. Die eindeutig roten Zonen, die bislang aufgetaucht sind, die befinden sich fernab der Touristenhochburgen. In den meisten Fällen geht es um sehr lokale Probleme, die etwa auf die Arbeitsbedingungen in bestimmten Unternehmen oder Sektoren zurückzuführen sind. Dass Touristen mit Infizierten in Kontakt kommen, diese Wahrscheinlichkeit sei äußerst gering.
Diese lokalen Ausbrüche hätten sozusagen als Weckruf gedient, sagte Van Laethem. "Das Ganze hat uns im Endeffekt die Gelegenheit gegeben, die Dinge ein für allemal zu regeln."
Ampelsystem: Corona-Test und Quarantäne werden Pflicht nach Urlaub in einem Risikogebiet
Roger Pint