Die Zeitung De Standaard sprach schon von "modernen Bilderstürmern". So ein bisschen überall auf der Welt "vergreifen" sich Anti-Rassismus-Demonstranten an Statuen. Die wohl bekanntesten Bilder haben Protestler im englischen Bristol produziert: Aktivisten holten ein Standbild von Edward Colston vom Sockel, schleppten die Statue zum Hafen und schmissen sie ins Wasser. Colston hatte im 17. Jahrhundert sein Vermögen vor allem im Sklavenhandel gemacht.
Doch auch in Belgien sind Statuen im Fadenkreuz - und das nicht seit gestern. Seit Jahren entzündet sich in regelmäßigen Abständen eine Polemik um die Standbilder von König Leopold II. Über dessen Leumund besteht kein Zweifel: Der Mann war ein Monster. Vielleicht nicht unmittelbar; Leopold II. hat den Kongo, der ihm ja zunächst "persönlich" gehört, er hat seinen "Besitz" nie betreten. Doch steht Leopold stellvertretend für furchtbare Gräueltaten, die in seinem Namen in Zentralafrika begangen wurden. Genaue Zahlen waren im Nachhinein schwierig zu erheben. Man übertreibt aber bestimmt nicht, wenn man ihm Millionen von Todesopfer ankreidet.
"Und einer solchen Figur wird heute noch im wahrsten Sinne des Wortes ein Denkmal gesetzt?", so eine oft gehörte Anklage. Der Protest kommt, nicht nur, aber vor allem auch aus der afrikanischstämmigen Gemeinschaft. In den kongolesischen Augen symbolisiere dieser Mann einfach nur eine schlimme Zeit, sagte in der VRT Mathieu Zana Etambala, Historiker und Dozent an der Uni Löwen.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Existenzberechtigung von Leopold-Statuen bzw. -Büsten infrage gestellt wird. Nur geschieht das derzeit entschlossener denn je. In mehreren Städten wurden Standbilder beschädigt, in Brüssel, aber auch in Antwerpen, Ekeren und Ostende. Beschmiert, manchmal gar in Brand gesteckt.
Wie geht man also um mit diesem, nennen wir es dennoch mal, "Kulturerbe". Die Antwort auf eine solche Frage kann eigentlich nur auf der lokalen Ebene getroffen werden; "und so sollte es im Übrigen auch sein", sagt auch der kongolesisch-belgische Historiker Mathieu Zana Etambala.
Und tatsächlich geht jeder auf seine Art damit um. Professoren der Uni Löwen etwa fordern, dass die Büste aus der Unibibliothek entfernt wird. In Antwerpen war eine Leopold-Statue mehrfach beschmiert worden. Sie wird jetzt restauriert, aber nicht mehr an ihrem ursprünglichen Standort aufgestellt.
An der Uni Mons wurde eine Leopold-Büste aus einem Gebäude entfernt. Angestoßen hatte die Debatte die junge Studentin Marie-Fidèle Dusingize, die eine Petition lanciert hatte. In kürzester Zeit waren 2.000 Unterschriften zusammengekommen. Es seien vor allem die jüngsten Ereignisse gewesen, die die Sache groß gemacht haben, sagte Marie-Fidèle in der RTBF. Und sie finde es toll, dass die Uni Mons dann auch schnell reagiert habe.
Ostende
In Ostende macht man es anders. Die dortige Stadtratsmehrheit um den liberalen Bürgermeister Bart Tommelein hat den Umgang mit der örtlichen Leopold-Statue zwar schon in ihrem Koalitionsvertrag thematisiert. Geeinigt habe man sich aber darauf, das Denkmal stehen zu lassen, es aber in seinen politischen und gesellschaftlichen Kontext zu setzen; dass man die Menschen für die Epoche der Kolonialzeit und vor allem auch die Rolle von Leopold II. sensibilisieren will.
Aber, ja, die Statue soll stehenbleiben. Erstmal die Frage: Löst man damit das Rassismus-Problem? Und zweitens: In Ostende erinnerten zahlreiche Bauwerke an den zweiten König der Belgier. "Wo sollen wir aufhören?", sagt Tommelein.
Die Frage ist wohl berechtigt. Gerade in Bezug auf Leopold II. Der wurde ja über Jahrzehnte hinweg weniger mit Gräueltaten, sondern eher mit seinen zahllosen architektonischen Hinterlassenschaften verbunden. "Der Baumeister-König" war ein lange Zeit gängiges Synonym für Leopold II. Dass die prunkvollen Gebäude nur gebaut werden konnten mit dem Geld aus der Ausbeutung des Kongo und seiner Bevölkerung, das hörte man freilich seltener.
Kolonialzeit im Unterricht
Und hier setzt eine andere Kritik an. Denn: Eben dieses Problem beginnt schon in den Schulen. Meist wird die belgische Kolonialvergangenheit überhaupt nicht thematisiert - und wenn, dann oft unvollständig oder verzerrt. In Flandern soll sich das jetzt ändern. Die Kolonialzeit soll jetzt fest im Unterrichtsstoff verankert werden. Und auch im frankophonen Unterrichtswesen werde die belgische Kolonialzeit im neuen Programm zum festen Bestandteil des Lehrstoffs, sagte die frankophone Unterrichtsministerin Caroline Désir in der RTBF.
Also: Es bewegt sich was, auch in puncto Statuen. In Brüssel etwa soll jetzt eine Arbeitsgruppe eingesetzt werden, die sich mit der Erinnerung an Leopold II. beschäftigen soll. Zu der Gruppe sollen Experten und Angehörige der kongolesischen Gemeinschaft Brüssels gehören. Laut Pascal Smet, Staatssekretär für Urbanismus und Denkmalschutz in der Region Brüssel, waren die Schwarzenbewegung "Black Lives Matter" und die Petition für die Abschaffung der Leopold-Denkmäler der Auslöser, die Arbeitsgruppe zu gründen.
Der Historiker Mathieu Zana Etambala hat eine fast schon salomonische Einstellung dazu: "Mal ehrlich", sagte er, "keine Statue der Welt sollte für die Ewigkeit sein".
rtbf/vrt/rop/vk
O-Ton vom BRF:
"Der Mann war ein Monster"
Ein Multi-Millionenmörder gegen Afrika, wo selbst Mao erblassen würde, dargestellt auf einem gequälten Pferd was aus Angst den Kopf eingeschüchtert tief nach unten gesenkt hat.
Was wäre wohl los wenn in Deutschland oder Österreich an jeder Straßenecke die Statue von Hitler stehen würde?
Rassismus ist hierzulande eher ein Problem als ich es im sonstigen deutschsprachigen Raum erleben durfte. Es wäre gut, wenn auch der letzte Hinterwäldler kapieren würde, dass rassistische Aussagen und Taten eben keine tolerierbaren Kavaliersdelikte sind. In diesem Kontext macht es Sinn, Bildnisse von Personen deren Lebenswerk nicht unbedingt nachahmenswert ist, aus dem öffentlichen Raum zu entfernen.
Die Standbilder Leopold II sollten abgebaut werden als symbolische Geste gegen Rassismus und Kolonialismus. Das Denkmal eines Verbrechers gehört nicht in den öffentlichen Raum. Und das Afrikamuseum in Tervuren sollte auch endlich die belgische Kolonialgeschichte etwas mehr beleuchten und nicht nur am Rande behandeln.
Manche der Statuen werden ja blutrot angemalt oder "entarmt"...diese Botschaften sind klarer als das Entfernen.
Wäre man konsequent, müssten auch sämtliche Statuen von Kriegsherren für die hunderttausende Menschen auf Schlachtfeldern starben, entfernt werden. Oder die von Karl dem Großen, der Heiden zwangsbekehren ließ...
PS: mehr Statuen von verdienstvollen Frauen wären auch nicht schlecht.
Herr Scholzen Eimerscheid, das Kön. Museum für Zentralafrika hat sich nach einem Umbau sehr gewandelt (wurde auch Zeit). Manche 'verherrlichende' Austellungsstücke sind verschwunden, andere mahnend in ein neues Licht gerückt. Vieles wurde auch den afrikanischen Staaten zurückgegeben. Vielleicht fällt das nicht jedem Besucher, der nur so rumläuft, direkt auf, aber wenn man eine Führung mitmacht, wird man auf die schweren Vergehen der Kolonialherrschaft deutlich hingewiesen, trotzdem stellt man sie mahnend aus, was auch wichtig ist, gegen das Verbrechen und aus Anschauungsgründen für neue Generationen>