"Wir sehen wieder die Konturen eines normalen Lebens", sagte Premierministerin Sophie Wilmès im Anschluss an die Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates. Die beratenden Wissenschaftler verteidigen die Entscheidungen, verweisen zugleich darauf, dass beschlossene Lockerungen je nach Entwicklung der Lage jederzeit wieder zurückgedreht werden können.
"Die Türe zu einem normalen Leben steht wieder offen", so formuliert es die Zeitung De Tijd. Und in der Tat: Der Nationale Sicherheitsrat hat eine Art Paradigmenwechsel beschlossen. Bislang galt: Alles ist verboten, außer den Dingen, die ausdrücklich erlaubt sind. Ab Montag ist es umgekehrt: Alles ist erlaubt, mit Ausnahme dessen, was verboten ist.
Und, um mal im Bild zu bleiben: Verboten sind weiterhin vor allem Massenveranstaltungen. Die Menschenströme sollen nach wie vor reguliert werden. Aber immerhin: Die Vierer-Regel wird aufgehoben. Ab Montag darf jeder pro Woche Kontakt haben mit bis zu zehn Personen.
Und das sei nicht zu viel, reagierte der Virologe Marc Van Ranst auf entsprechende Kritik. Van Ranst ist ja Mitglied des Gremiums, das die Regierungen mit Blick auf die Exitstrategie berät. "Wenn wir lockern wollen, dann ist das jetzt der Moment", sagte Van Ranst in der VRT. Jetzt können wir uns das erlauben. Wenn sich die Epidemie aber anders entwickelt, dann müssen wir die Lockerungen wieder zurückdrehen.
Roger Pint
Da hat der Nationale Sicherheitsrat also mit seinem „Paradigmenwechsel“ die Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit beschlossen!
Es WAR und IST immer schon so gewesen, dass „alles erlaubt ist, was nicht verboten ist“. Das garantiert das sogenannte „Gesetzlichkeitsprinzip“; Grundlage des Rechtsstaates und in der belgischen Verfassung durch Art. 14 garantiert.
Sogar der viel gescholtene Innenminister hat darauf am Anfang der Krise einmal leise hingewiesen. Unseren MinisterpräsidentInnen – die in ihrem Leben so rein gar nichts mit Jura zu tun gehabt haben (Ironie off) – scheint das unbekannt.
Ähnliches gilt für die wiederholte Behauptung, man müsse sich im Ausland an belgische Gesetze halten – die ab dem 15. dann großzügiger Weise nicht mehr gilt.
Wie hier bereits einmal kommentiert, verstößt dies gegen das „Territorialitätsprinzip“ und darüber hinaus gegen die EU-Charta Art. 21 Abs. 2 (Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit)
Und alles wird von unseren Medien kritiklos wiedergegeben, Respekt!
... und von den von uns für unser Wohl gewählten Politikern mitsamt ihren Kabinetten und juristischen Beratern so akzeptiert.
Herr Visé, ich erlaube mir da einige Bemerkungen.
Artikel 14 der Verfassung: "Eine Strafe darf nur aufgrund des Gesetzes eingeführt oder angewandt werden." Ein altes Prinzip und eine Garantie für den Bürger. Das war aber immer so.
Nur die Perspektive ist eine andere.
Ein generelles Verbot: "Alle nicht unabdingbaren Auslandsreisen sind untersagt", versehen mit einer Reihe von Ausnahmen (Pendler etwa).
Und jetzt: "Alle Auslandsreisen sind erlaubt. verboten bleiben..."
Das eine Gesetz ist so verfassungskonform wie das andere.
Allerdings: Der Geltungsbereich des belgischen Strafrechts endet im Prinzip an der Landesgrenze:
Art. 4. StGB:L'infraction commise hors du territoire du royaume, par des Belges ou par des étrangers, n'est punie, en Belgique, que dans les cas déterminés par la loi."
Ob die belgische Justiz befugt ist, Pendler zu bestrafen, die sich ja legal im Ausland befanden und dort auch ganz legal einkauften, zu bestrafen, habe ich schon früher mehrmals angezweifelt.
Die Einfuhr von Waren unterlag eindeutig nie einem Verbot.