In den letzten 24 Stunden wurden knapp 600 Neuinfektionen registriert. Die Zahl der Krankenhauseinweisungen lag bei 108 - die 100er-Schwelle wurde also wieder überschritten. Und es wurden doch wieder 107 neue Todesfälle gemeldet.
Auf den ersten Blick mag all das nicht gerade beruhigend wirken. Wir haben jedenfalls schon bessere Zahlen gesehen. "Aber, es sind nicht immer nur die nackten Zahlen eines Tages, die uns interessieren sollten", sagte Dr. Yves Van Laethem, einer der Sprecher des wissenschaftlichen Beratergremiums. Mindestens genauso wichtig sind die jeweiligen Trends.
Und, schaut man sich die Entwicklung der wichtigsten Zahlen innerhalb der letzten sieben Tage an, dann weisen die Kurven weiter nach unten. Konkret: Bei den Neuinfektionen und auch bei den Neuaufnahmen in den Krankenhäusern ist es ein Minus von fünf bzw. sechs Prozent.
Nur: Gerade die Zahlen aus den Krankenhäusern sind - in der jetzigen Situation - kein wirklich aussagekräftiger Indikator. In dem Sinne, dass das zwar gegebenenfalls ein Alarmsignal sein kann, das allerdings dann käme, wenn's schon zu spät ist. Die meisten Patienten müssen ja erst rund zwei Wochen nach der Ansteckung stationär behandelt werden.
Krankmeldungen
Die Wissenschaftler brauchten also Parameter, die möglichst zeitnah Auskunft geben über die neuesten Entwicklungen. Da will man sich jetzt vor allem auf zwei Faktoren konzentrieren.
Der erste ist die Zahl der Krankmeldungen innerhalb der belgischen Beamtenschaft. Für diesen Parameter sprechen gleich mehrere Gründe. Diese Zahlen werden in der Regel alle 24 Stunden aktualisiert. Außerdem werden diese Zahlen föderal erhoben; da muss man also nichts nach Regionen und Gemeinschaften aufdröseln. Und wir sprechen da immerhin von knapp 84.000 Menschen, was ja schon aussagekräftig ist.
Und, das wohl wichtigste Argument: Der Parameter hätte, im Nachhinein betrachtet, im Verlauf dieser Epidemie durchaus schon als Alarmglocke fungieren können. Man sehe, dass die Zahl der Krankmeldungen gegen Mitte März plötzlich stark angestiegen ist, sagte Dr. Steven Van Gucht. Das sei sehr sichtbar gewesen im Vergleich zu den beiden Vorjahren. Und, was eben beruhigend sei: Im Moment liege die Zahl der Krankmeldungen bei den Staatsbeamten im Bereich der Normalwerte.
Konsultationen beim Hausarzt
Parallel dazu beobachten die Wissenschaftler noch einen zweiten Parameter, nämlich: die Art der Konsultationen bei den Hausärzten. Also, konkret wird ermittelt, wie oft Hausärzte von Patienten mit Grippesymptomen aufgesucht werden. Das wird ohnehin in den Wintermonaten gemacht - eben mit Blick auf die "normale" Grippe - und jetzt wird dieses Frühwarnsystem eben beibehalten.
Im Moment liege dieser Wert bei rund 89 Konsultationen wegen grippeartiger Beschwerden je 100.000 Einwohner. Das sei eine sehr niedrige Zahl. Auch hier sind wir also im Grünen Bereich.
Das erinnert irgendwie an den Kanarienvogel in der Kohlemine: Solange die Vögel im Bergwerk herumzwitscherten, war alles in Ordnung. Hier übernehmen diese Rolle also die beiden Parameter: Krankmeldungen innerhalb der Beamtenschaft und Konsultationen beim Hausarzt.
Diese Werte müssen jetzt also unbedingt im Grünen Bereich bleiben. "Und wir alle haben's in der Hand", betonten die Experten und auch die Sprecher des Krisenzentrums. Mehr denn je müsse jetzt jeder Verantwortungsbewusstsein an den Tag legen.
Viererregel
Und dann gab's auch nochmal eine Verdeutlichung der Lockerung, die ab Sonntag greift. Nennen wir es mal: die Viererregel. Es ist ja erlaubt, vier Angehörige oder Freunde zu treffen. "Wir empfehlen aber, dass diese Menschen möglichst ein und demselben Haushalt angehören sollten, sagte Dr. Steven van Gucht. "Haushalt" in dem Sinne, dass es sich um Menschen handelt, die unter einem Dach wohnen.
Wenn man Menschen trifft, die aus verschiedenen Haushalten stammen, dann wird das Netzwerk jedes Einzelnen gleich wieder zu groß. Und das sind ideale Bedingungen für das Virus, um sich wieder schnell zu verbreiten. "Schränken Sie Ihren Kreis ein", sagt Van Gucht. "Wir zählen auf Sie."
Roger Pint