"Das hier ist kein Spiel! Hier geht es um Menschenleben! Und entsprechend kann man diese Aktion nicht gutheißen": Marc Van Ranst ist sauer. Der renommierte Virologe ist Teil der gemischten Arbeitsgruppe "Neustart". Dieses zehnköpfige Gremium besteht aus Medizinern und Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt. Deren Aufgabe ist es, die Regierung zu beraten, und zwar mit Blick auf die möglichen Exit-Strategien.
Konkret wird die Arbeitsgruppe dem Nationalen Sicherheitsrat eine Reihe von Empfehlungen unterbreiten. Auf dieser Grundlage wird dann entschieden, wie es nach dem 3. Mai weitergeht. Das letzte Wort hat dabei die Politik.
Vorläufige Fassung
Nur stand der Expertenbericht plötzlich in der Zeitung, was Marc Van Ranst so wütend gemacht hat. Die Zeitung Le Soir hat das Gutachten einsehen können. Eine vorläufige Fassung allerdings, das Dokument war offensichtlich auf dem Stand des vergangenen Wochenendes. Die groben Leitlinien sehen so aus, dass die Experten tatsächlich eine schrittweise Lockerung der Ausgangsbeschränkungen empfehlen.
Einige Wirtschaftszweige könnten also ihre Aktivitäten wieder aufnehmen. Für alle Bereiche, in denen Telearbeit möglich ist, soll Homeoffice aber Pflicht bleiben. Auch die Beschränkungen für eine Reihe von sportlichen Aktivitäten unter freiem Himmel könnten demnach gelockert werden. Die Schulen würden ab dem 18. Mai wieder bedingt geöffnet.
Mögliche folgende Phasen der Lockerung würden im Wesentlichen von der Entwicklung der Zahl der Neuerkrankungen bzw. der Lage in den Krankenhäusern abhängen. Alles in allem sind da keine wirklich faustdicken Überraschungen zu lesen. Längst ist klar, dass wir von einer Rückkehr zu alter Normalität noch weit entfernt sind.
Marc Van Ranst ist Mitglied der Arbeitsgruppe, deren Entwurf jetzt also auf dem Marktplatz gelandet ist. Und er könne die Veröffentlichung des Dokuments nur bedauern, sagte der Virologe in der VRT. Auch, weil es eben "nur" ein Entwurf ist. In der Zwischenzeit sei das Dokument durchaus noch verfeinert worden. Und dann landet so ein Arbeitsdokument in der Presse.
Politische Spielchen
"Ein solches Presseleck, da kann nur eine Absicht dahinterstecken: Da will einer die Kommunikation, um nicht zu sagen den ganzen Entscheidungsfindungsprozess nur noch komplizierter machen." Und Van Ranst wird noch deutlicher: "Jemand, der so ein Dokument an die Presse weitergibt, der macht das nicht mit den besten Absichten. Irgendjemand will, dass der ganze Prozess irgendwie scheitert. Zugleich macht man sich hier lustig über die Experten und auch über das medizinische Personal."
"Es scheint immer noch Leute zu geben, die meinen, sogar in dieser Materie noch politische Spielchen spielen zu müssen", ärgert sich Van Ranst. Ein Presseleck passiert in der Regel nicht ohne Hintergedanken. In den seltensten Fällen geht es darum, einem vielleicht befreundeten Journalisten einen Gefallen zu tun. Eher ist es so, dass irgendjemand glaubte, dass diese Aktion ihm oder seinen Interessen nützen könnte.
Die Zahl der potentiellen Verdächtigen ist derweil ziemlich groß. Bei so vielen Regierungen und Arbeitsgruppen, die mit der Thematik befasst sind, geht ein solches Dokument zweifelsohne durch sehr viele Hände.
Den Inhalt des Artikels von Le Soir wollte Marc Van Ranst naturgemäß nicht kommentieren - es wäre ja auch ziemlich erstaunlich gewesen, wenn ausgerechnet ein Mitglied der Arbeitsgruppe letztlich noch zu der allgemeinen Verwirrung beigetragen hätte. Eins ist sicher: Eine solche Geschichte macht den Entscheidungsfindungsprozess bestimmt nicht leichter.
Roger Pint
Hier muss man sich allerdings auch fragen warum die Presse solche Entwürfe überhaupt veröffentlicht!? Es wird veröffentlicht und danach empört man sich das es geschehen ist... "reißerische Story" um jeden Preis?