Hohe belgische Sterberate - De Block plädiert für andere Zählmethode

Ja, die Zahlen liegen hoch und er gehe davon aus, dass das auch noch eine Zeit lang so bleiben wird, sagte der Virologe Steven Van Gucht in der VRT. Gemeint ist die Zahl der Todesfälle in Belgien. Das ist die einzige Kurve, die sich bislang noch nicht abgeflacht hat. Insgesamt zeigt das Virus in Belgien, sagen wir, "Ermüdungserscheinungen", die Zahl der Neuinfektionen und auch die der Krankenhausaufnahmen zeigen eine fallende Tendenz. Nur die Zahl der Todesfälle, die bleibt unverändert hoch, manchmal scheint es sogar auszusehen, dass sie eher weiter steigt.

Inzwischen wurde die 5.000er-Marke durchbrochen. In absoluten Zahlen sind in Belgien mehr Menschen an den Folgen von Covid-19 gestorben als etwa in Deutschland. Legt man das auf die Gesamtbevölkerung um, dann gibt es nirgendwo auf der Welt eine höhere Sterberate als in Belgien.

Woran liegt das? Das hat zum Teil mit der Struktur des Landes zu tun. Belgien ist vergleichsweise klein und dicht besiedelt. Und das Land ist als Ganzes betroffen. In großen Ländern hingegen sind es oft Hotspots, einzelne Regionen. Wie etwa Norditalien. Während im Rest des Landes die Lage mehr oder weniger unter Kontrolle ist. Heißt: Gemessen an der Gesamtbevölkerung wiegen die Todesfälle in Norditalien nicht so schwer wie in Belgien.

Der wichtigste Grund für diese unverhältnismäßig hohen Zahlen, der liegt aber in der Erhebungsmethode. "Belgien ist das einzige Land weltweit, in dem auch die Todesfälle gezählt werden, die nicht im Krankenhaus festgestellt wurden", sagte die föderale Gesundheitsministerin Maggie De Block in der RTBF. In die Statistik aufgenommen werden also auch insbesondere die Zahlen aus den Alten- und Pflegeheimen. "Wir wollen eben so transparent wie möglich sein und die tatsächliche Lage abbilden", sagt De Block.

Und eigentlich müsste man Belgien für diese Herangehensweise loben, glaubt auch Virologe Steven Van Gucht, der ja der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beratergremiums ist. Dadurch, dass wir alle Todesfälle registrieren, haben wir einen viel besseren Überblick über die tatsächliche Lage auf dem Terrain, sagt Van Gucht. Und dadurch werde man dann auch auf gewisse Entwicklungen aufmerksam, habe man etwa gesehen, dass es ein Problem in den Alten- und Pflegeheimen gibt. So habe man erst darauf reagieren können.

Nicht nur das: In den Altenheimen wurden auch Todesfälle mitgezählt, bei denen es nicht erwiesen war, dass Covid-19 tatsächlich die Ursache war. Immerhin wurde ausdrücklich vermerkt, dass es sich um einen "Verdacht" handelte, da es keinen Test gab.

Jetzt, nachdem dann doch die Tests in den Senioren- und Pflegeheimen endlich angelaufen sind, bekommt man natürlich ein viel genaueres Bild. "Und da hat man festgestellt", sagte Premierministerin Sophie Wilmès in der Kammer, "dass nur in rund der Hälfte solcher Verdachtsfälle der Patient tatsächlich positiv getestet wird".

Da werden die Zahlen also nochmal deutlich relativiert. Heißt konkret: Wenn wir alle Faktoren herausrechnen, die andere Länder nicht berücksichtigen, dann kann man die Zahl getrost durch zwei teilen. Und dann sind die Zahlen dann doch wieder vergleichbar mit denen in den Nachbarländern, sagt Steven Van Gucht.

Nur: Relativierung hin oder her. Es wird Zeit, dass wir Zahlen erheben, die wirklich vergleichbar sind mit denen in den Nachbarländern, fordert Maggie De Block. Virologe Steven Van Gucht ist davon offensichtlich nicht so ganz überzeugt. Dadurch, dass Verdachtsfälle als solche gekennzeichnet worden seien, sei es nicht schwer, sie wieder rauszurechnen.

"Und noch etwas", sagt Van Gucht; "warum sollte Belgien seine Erhebungsmethode ändern, wenn sie doch das wesentlich genauere Bild liefert. Belgien könnte eigentlich - im Gegenteil - eher als Vorbild durchgehen."

Neue Corona-Zahlen geben Anlass zur Hoffnung

Roger Pint