"Wir befürchten, dass wir an diesem Wochenende noch einen Anstieg der Verstöße zu verzeichnen hatten", sagte in der VRT Erwin Dernicourt, der Vorsitzende des Kollegiums der Generalprokuratoren.
Seit Inkrafttreten der Ausgangsbeschränkungen wurden bereits 27.000 solcher Übertretungen geahndet. Das Osterwochenende, verbunden mit dem schönen Frühlingswetter, hat dann aber nochmal deutlich mehr Menschen aus ihren Wohnungen gelockt. Aus einigen Städten gab es Bilder, die fast an die Zeit vor der Krise erinnerten. Überall Fußgänger und Radfahrer - fast, als wäre nichts gewesen.
Die Polizei hatte jedenfalls alle Hände voll zu tun. Wie viele Übertretungen letztlich festgestellt wurden, darüber gibt es noch keine offiziellen Zahlen. Laut VRT wurden aber in einigen Zonen bis zu viermal mehr Fälle geahndet als am Wochenende zuvor.
Bei so manchem habe diese Bilder Kopfschütteln ausgelöst; mindestens. Und das gilt nicht nur für Ordnungshüter. In Sozialen Netzwerken appellierten auch Ärztinnen und Ärzte, sowie Pflegekräfte an ihre Mitbürger, jetzt nicht lockerzulassen. "Helft uns!", sagte etwa eine Krankenschwester. "Sorgt dafür, dass wir in den Krankenhäusern nicht überlastet werden und haltet Euch an die Regeln!". "Eigentlich sollten die Menschen mal sehen, was wir täglich zu sehen bekommen", sagt eine andere. "Dann wüssten sie, warum die Maßnahmen nötig sind, und dass man tatsächlich am besten zu Hause bleibt."
"Eben dafür machen wir das Ganze", sagte auch Innenminister Pieter De Crem in der VRT. Hier gehe es nicht darum, zu strafen, um zu strafen. Die Maßnahmen seien nötig, um die Krise in den Griff zu kriegen. Und, daraus folgt: Wenn wir in zwei, drei Wochen feststellen, dass - infolge des derzeitigen Verhaltens der Menschen - die Zahlen wieder steigen, dann sind wir vielleicht am Ende sogar dazu gezwungen, die Regeln zu verschärfen.
Besonders sichtbar und zahlreich waren die Quarantäne-Muffel in Antwerpen. Der Bürgermeister der Scheldestadt, N-VA-Chef Bart De Wever, äußerte zwar seinen Unmut darüber, war aber eigentlich nicht ganz unschuldig daran. In Sozialen Netzwerken war eine Annonce aufgetaucht, die De Wever in demonstrativer Pose auf einer Parkbank zeigte. Im Begleittext hieß es: "Auf einer Bank auszuruhen, das soll verboten sein? Sorry! Das werde ich nicht durchsetzen".
Das ist offensichtlich so verstanden worden, dass in Antwerpen generell die Regeln gelockert worden wären. De Wever räumt das ein und entschuldigt sich sogar dafür. Diese Anzeige war eine schlechte Idee. Hier sei ganz einfach die falsche Debatte angestoßen worden. Ihm sei es nur um die Parkbank-Problematik gegangen, genau gesagt die Tatsache, dass es für ein Ausruhverbot keine Rechtsgrundlage gebe.
Entschuldigen mussten sich aber auch noch zwei Mitarbeiter der Uni Gent. Genau gesagt geht es um einen Professor und einen Assistenten. Die hatten bis tief in die Nacht einen Unterricht live über das Internet gestreamt. Naja, ein Weinglas ist auch auf den Bildern zu sehen. Über 100 Studierende jedenfalls waren zugeschaltet. Nachbarn hatten wohl wegen Lärmbelästigung die Polizei verständigt. Irgendwann stehen also Beamte in der Wohnung, zu sehen in dem Livestream. Die Polizisten stellen fest, dass die beiden Dozenten auch die Abstandsregeln nicht einhielten. Daraufhin entgleist die Situation vollends. "Willkommen im faschistischen Belgien", sagt der Assistent.
Der Professor weigert sich zunächst, sich auszuweisen. In der Zwischenzeit haben die Polizisten Verstärkung gerufen. Doch beruhigen sich die beiden Dozenten nicht. "Polizeistaat, Polizeistaat; willkommen in Nazi-Deutschland", sagt der Assistent. Als die Beamten am Ende die Wohnung verlassen wollen, schickt einer der beiden ihnen dann noch eine bissiges "Sieg Heil" hinterher. Und das alles vor den Augen von über 100 Studentinnen und Studenten. Die Uni Gent hat die beiden Dozenten suspendiert. Sie haben sich inzwischen entschuldigt.
Es mag eine Anekdote sein, die aber stellvertretend steht für die Geisteshaltung von einer immer größeren Anzahl von Mitbürgern. Schätzungen zufolge liegt die Zahl derer, die die Regeln missachten bzw. ablehnen inzwischen bei 20 Prozent, ein Fünftel.
"Wir werden leider noch mehr kontrollieren müssen", sagt Innenminister Pieter De Crem. Diese Maßnahmen, die sind der einzige Weg aus dieser Krise.
Roger Pint