Der Virologe Steven Van Gucht vom föderalen Coronavirus-Krisenzentrum fasst die guten Nachrichten des Tages zusammen: Immer deutlicher scheint sich der Beginn des Höhepunkts der Epidemie abzuzeichnen - und erstmals seit dem Ausbruch der Krise befinden sich weniger Menschen wegen des Virus im Krankenhaus. Oder anders gesagt: Mehr Menschen konnten die Krankenhäuser verlassen, als neu aufgenommen werden mussten.
Einen Grund, deswegen jetzt euphorisch zu werden, sieht Van Gucht aber mit Sicherheit nicht. Die Belastung der Krankenhäuser sei nach wie vor sehr hoch und auch die Zahl der Patienten, die wegen schwerer Covid-19-Symptome auf der Intensivstation behandelt werden müsse, steige weiter, wenn auch nur leicht - genauso wie die Anzahl der Menschen, die beatmet werden müssten.
Die Warnung des Virologen ist also eindeutig: Wir sind sicher noch nicht aus der Gefahrenzone heraus! Und in der Tat, auch wenn einige Zahlen ermutigend sind, die Lage insgesamt bleibt grimmig. Alleine in den letzten 24 Stunden wurden erneut 205 neue Todesfälle gemeldet. Damit sind es jetzt bereits 2.240 Menschen, die in Belgien vermutlich in Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben sind.
Immer mehr Tests
Und auch die Zahl der bestätigten Neuinfektionen bleibt nach wie vor weit jenseits der Tausender-Marke. Immerhin geht es auch mit den täglich realisierten Tests aufwärts, bei fast 4.000 liegt deren Zahl inzwischen. Besonders prekär ist die Lage bekanntermaßen in den Alten- und Pflegeheimen. Deswegen sind für sie in einer ersten Phase 20.000 zusätzliche Testkits vorgesehen, wie Dr. Emmanuel André sagte. Diese Kapazität solle aber nach dieser ersten Phase, der Pilotphase, weiter ausgebaut werden.
Währenddessen scheinen sich die Bürger im Großen und Ganzen beruflich und auch privat eingerichtet zu haben auf die Schutzmaßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Das bestätigte Yves Stevens, Sprecher des Krisenzentrums: 70 Prozent der Bevölkerung hielten sich letzte Woche in ihrer eigenen Stadt oder Gemeinde auf. Das ginge aus einer Analyse des entsprechenden Datenverkehrs hervor.
Warmes Wetter bringt keine Sicherheit
Das Krisenzentrum hat aber auch immer einen Blick darauf, was in den Sozialen Medien passiert. Und hier tauchen offensichtlich immer häufiger Fragen dazu auf, ob Sonne und warme Temperaturen nicht die Ausbreitung des Virus verlangsamen würden. Was angesichts des ausgesprochen schönen Wetters wohl wenig verwundert. Und dass die Menschen das glauben könnten und sich deswegen weniger strikt an die Vorsichtsmaßregeln halten, das bereitet den Experten nachvollziehbarerweise Kopfzerbrechen.
Der Virologe Dr. André erklärt, dass es zwar richtig sei, dass bei anderen Atemwegserkrankungen gutes Wetter beziehungsweise der Sommer einen positiven Effekt haben können. Das Virus würde sich langsamer ausbreiten und könne weniger gut in der Umwelt überleben. Aber hier habe man es mit einem neuen Virus zu tun. Und deswegen könne man den genauen Einfluss des Wetters auf das Virus eben auch nicht genau einschätzen.
Sein Kollege Steven Van Gucht wird deutlicher: "Es ist nicht gesagt, dass Frühling und Sommer die Ausbreitung der Epidemie wirklich verlangsamen können. Das Einhalten des Sicherheitsabstandes und eine strenge Handhygiene hingegen können das." Man müsse sich also weiter streng an die Maßregeln halten, um das Virus kleinzukriegen.
Das sieht auch Dr. André so: Es wäre zwar schön, wenn das Wetter einen hilfreichen Schubser in die richtige Richtung liefern könne, nur dürfe man sich eben nicht alleine darauf verlassen.
Boris Schmidt