Seit einer Woche beschränkt sich der Horizont vieler Belgier im Wesentlichen auf die eigenen vier Wände. Seit fast zwei Wochen sind schon die Restaurants und Kneipen dicht.
Die reinen Zahlen lassen aber nicht unbedingt Licht am Ende des Tunnels erkennen. Mittwoch etwa wiesen viele Kurven wieder steiler nach oben als an den Tagen zuvor. Kurz gesagt: Wir sind noch nicht über den Berg. Der Peak, also der Höhepunkt der Epidemie ist offensichtlich noch nicht überschritten.
Einige Zeitungen werfen denn auch die Frage auf, ob die Ausgangsbeschränkungen verschärft, bzw. verlängert werden sollen. Diese Entscheidung, die kann nur der Nationale Sicherheitsrat treffen. Das Gremium ist in Corona-Zeiten um die Vertreter der Regionen und Gemeinschaften erweitert worden. Am Freitag soll dieser Nationale Sicherheitsrat wieder zusammenkommen.
Doch will da im Vorfeld niemand Prognosen abgeben. Wir werden uns die Einschätzungen der wissenschaftlichen Beratergremien anhören, machte Gesundheitsministerin Maggie De Block in der RTBF klar. Es sind die Experten, die eine Bewertung der Lage vornehmen. Und danach, auf dieser Grundlage, treffen wir dann unsere Entscheidung.
Doch hat De Block zumindest ihre persönliche Meinung geäußert. Und daraus kann man ableiten, dass sie nicht prinzipiell eine Verschärfung der Maßnahmen ins Auge fasst. Es wäre schon mal gut, wenn alle die jetzt geltenden Regeln befolgen würden. Denn: Für erste Schlussfolgerungen ist es eigentlich noch zu früh. Die Ausgangsbeschränkungen können eigentlich erst nach rund zehn Tagen konkrete Ergebnisse zeigen.
Dennoch: Es liegt schon jetzt eine Reihe von Fragen bzw. Forderungen auf dem Tisch des Nationalen Sicherheitsrates. Eine davon steht am Donnerstag auf der Titelseite der Zeitung Het Nieuwsblad: "Die Polizei verlangt klarere Regeln".
In der VRT hat Nicholas Paelinck, der Chef des Ständigen Ausschusses für die Lokale Polizei, diese Forderung noch einmal wiederholt. In Frankreich sei es einfach, sagte Paelinck, da gelte die Regel "1-1-1": Eine Person, höchstens einen Kilometer von zuhause weg, eine Stunde draußen. In Belgien gebe es dagegen allzu viel Interpretationsspielraum.
Der Polizeichef gibt einige Bespiele: was bedeutet genau eine "nicht notwendige Fortbewegung"? Ist das ein Kilometer? Sind das 20 Kilometer? Was ist mit denen, die mit dem Auto zu einem Ort fahren, wo sie ihrer sportlichen Aktivität nachgehen wollen? Es wäre schön, wenn das mal klarer geregelt würde.
Und auch die Gewerkschaften haben einige Forderungen und Anliegen auf den Tisch gelegt. FGTB-Chef Robert Vertenueil etwa beklagte in der RTBF, dass sich einige Unternehmen nicht an die Regeln hielten: Die räumliche Trennung der Mitarbeiter sei oft nicht gewährleistet.
Vertenueil von der FGTB plädierte auch dafür, dass die Liste der "systemrelevanten" Betriebe überarbeitet werde. Dass die Chemieindustrie insgesamt als "wesentlich" eingestuft werde, verstehe er. Hier würden ja schließlich Medikamente hergestellt. Aber sind auch Plastikstühle oder Tupperware-Dosen wirklich überlebenswichtig?
In diesem Punkt können die Gewerkschaften aber nicht auf die Unterstützung der föderalen Gesundheitsministerin zählen. Die Betriebe, die als systemrelevant eingestuft werden, die sind, wie der Name schon sagt, notwendig. Das ist so, und das bleibt so, sagt De Block.
Doch werden die Ausgangsbeschränkungen verschärft? Oder verlängert? Oder beides? Was sagt der Experte dazu? Professor Herman Goossens, Mikrobiologe an der Uni Antwerpen sagt: Wenn uns das Virus eins gelehrt hat, dann ist das Demut. Er habe es sich abgewöhnt, Prognosen abzugeben. Er hoffe nur eins: Dass die Zahlen in der kommenden Woche sinken.
Roger Pint