Die Pressekonferenzen des föderalen Krisenzentrums sind inzwischen fast schon zu einem traurigen Ritual geworden. Tag für Tag müssen die Gesundheitsexperten und Epidemiologen über den aktuellen Stand der Coronavirus-Pandemie im Land berichten.
34 neue Meldungen von Todesfällen aufgrund von Covid-19 sind seit Montag eingegangen, damit sind in Belgien bisher 122 Menschen an dem Virus gestorben. Fast 1.900 Menschen befinden sich zur Behandlung im Krankenhaus, 381 von ihnen auf der Intensivstation. Die Zahl der neuen bestätigten Coronavirus-Infektionen ist um rund 530 auf über 4.000 angestiegen.
Hoffnungsschimmer
Soweit die absoluten Zahlen. Die Gesamtsituation ist also weiter grimmig, das steht außer Frage. Aber wenn man die Zahlen genauer analysiert, gibt es vielleicht doch auch Gründe, um zumindest so etwas wie einen leichten Hoffnungsschimmer sehen zu können. Die Zahl der bestätigten Neuinfektionen etwa ist schon den zweiten Tag in Folge rückläufig. Außerdem konnten über 400 Personen die Krankenhäuser mittlerweile wieder verlassen, davon allein 60 am Montag.
Umso erschreckender mag auf den ersten Blick der erneute, fast schon sprunghafte Anstieg bei den Todesopfern scheinen. Aber, wie der Virologe Steven Van Gucht erklärt: Dass diese Zahlen von Tag zu Tag stark fluktuierten, das könne mit Verzögerungen bei der Meldung von Todesfällen beziehungsweise der Weitergabe dieser Meldungen zusammenhängen. Verschiedene Ebenen müssten die Fälle bestätigen.
Stigmatisierung
Sorge bereitet den Gesundheitsexperten des Krisenzentrums aber offenbar auch ein anderes Phänomen: nämlich Schuldzuweisungen und die Stigmatisierung der am Coronavirus Erkrankten. Deswegen stellt Van Gucht eines ganz klar: Es sei wichtig, dass wir verstehen, dass Viren nie die "Schuld" von jemandem sind. Oft komme es bei Virenerkrankungen zu Stigmatisierungen, das habe man in der Vergangenheit unter anderem schon bei HIV und Ebola gesehen. Aber niemand sei "schuld" daran.
Viren machten keinen Unterschied zwischen Sprache, Religion, Herkunft. Es handele sich schlicht um ein Naturphänomen, gegen das man solidarisch und gemeinsam kämpfen müsse, so der eindringliche Appell von Van Gucht.
Und dem schließt sich auch sein Kollege Emmanuel André klar an: Man erwarte und verlange, dass sich die Menschen solidarisch verhalten, sich selbst und andere schützen, und dass sie keine Nachrichten verbreiten, die zu Spaltungen in der Gesellschaft führen und dadurch die Bewältigung der Krise beeinträchtigen könnten.
Und eine andere, ebenfalls ganz klare Botschaft an die Bevölkerung hatte das Krisenzentrum auch noch: Die Zahlen machten schmerzhaft klar, dass wir uns mitten in einer Krisensituation befinden, wie Sprecher Yves Stevens betonte.
Und deswegen sei es auch unerhört, dass immer noch manche Menschen die derzeitige Krisenlage als eine Art "alternativen Urlaub" betrachten würden. Es sei zwar nachvollziehbar, dass alle die ersten Sonnentage des Frühlings ausnutzen wollen. Aber jetzt sei ganz sicher nicht der Zeitpunkt, um mit Freunden im Park abzuhängen oder einen Aperitif mit den Nachbarn zu organisieren.
Wir haben nur eine Chance
Bei allem Verständnis, dass die verordneten Maßnahmen einschneidend seien, aber, so die eindringliche Warnung von Stevens: Wir haben nur eine Chance- und die ist jetzt!
Diesem fast schon beschwörenden Aufruf, sich vernünftig zu verhalten, schloss sich auch sein Kollege Benoît Ramacker an: "Wir zählen auf Sie! Bleiben Sie zuhause! Achten Sie auf sich – und achten Sie auf die anderen!"
Boris Schmidt