"Man kann nicht mit verbundenen Augen einen Brand löschen". Diesen vielzitierten Satz hat der Direktor der WHO ausgesprochen. Die Weltgesundheitsorganisation appelliert schon seit Tagen an die Länder der Welt, mehr Corona-Tests durchzuführen. Und auch in der Presse wird dieser Ruf immer lauter. "Testen, testen, testen", fordert am Dienstag etwa La Libre Belgique.
Die Gesundheitsbehörden geben sich hier nuanciert. "Erstmal sei es so, dass wir auch in Belgien nicht so wenig testen", sagt Dr. Steven Van Gucht, Leiter des Expertengremiums, das die Föderalregierung berät. Im Moment würden bis zu 2.500 Tests pro Tag durchgeführt. Aber, er sei damit einverstanden, dass auch in Belgien mehr getestet werden sollte. Er sei jedenfalls dafür.
"Und, ganz am Anfang der Epidemie, da hätte man auch durchaus mehr testen müssen", sagte Van Gucht der VRT. Das wäre jedenfalls sehr hilfreich gewesen. Man hatte auch schon das Netzwerk der Laboratorien erweitert... Nur: "hätte, könnte, würde", ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt hätten die Reagenzien gefehlt. Das sind also quasi Grundstoffe, ohne die ein Test nicht durchgeführt werden kann. Es gab da ja einen weltweiten Engpass, mit dem so niemand gerechnet hatte.
"Die Hersteller können der Nachfrage nach wie vor nicht genügen", sagt Van Gucht. Sie liefern zwar, aber nur in begrenztem Maße. Und das ist der Grund, warum man nicht alle Tests durchführen konnte, die man hätte durchführen wollen.
Tests nur an zwei Personengruppen
Getestet werden im Moment also nur zwei Personengruppen: zunächst die Patienten, die ins Krankenhaus eingeliefert werden und die eindeutige Symptome aufweisen. Und dann, nicht vergessen, natürlich das medizinische Personal.
Heißt also: Viele Menschen, die sich im Moment krankheitsbedingt in häuslicher Quarantäne befinden, deren wahrscheinlicher Corona-Befund beruht in den meisten Fällen auf einer Ferndiagnose, per Telefon durch den Hausarzt.
Und wie steht der Experte zu der Forderung, zu testen, zu testen und nochmal zu testen? "Naja", sagt Van Gucht, "wenn man ehrlich ist: Zum jetzigen Zeitpunkt ist das eigentlich weniger zielführend". Im Moment befinden wir uns in der Phase des "Social distancings", also der räumlichen Trennung der Menschen. Im Idealfall wird dadurch also die Verbreitung des Virus verlangsamt. "Und ob wir da testen oder nicht, das ändert im Moment nicht viel: Jeder muss zuhause bleiben".
Nächste Phase
"Konsequente Tests, das ist was für die nächste Phase", sagt Van Gucht. Wenn wir das Virus soweit eingedämmt haben, hoffentlich in einigen Wochen, dann ist das ja nicht das Ende der Geschichte. Die Gefahr bleibt, dass das Virus dann wieder aufflackert. Und dann ist es wichtig, die Menschen schnell testen zu können, um dann sie und gegebenenfalls ihr Umfeld, Menschen, mit denen sie Kontakt hatten, isolieren zu können.
"Also: Die Tests sind für später", sagt Van Gucht. Wobei er deutlich macht, dass man sich auf diese Phase gerade schon aktiv vorbereitet.
Kritik an De Block immer lauter
Aber, apropos "vorbereitet": War das Land wirklich gut aufgestellt? Hätte die Ausgangslage vielleicht besser sein können? Das sind Fragen, über die wohl noch lange diskutiert werden dürfte. Schon jetzt gibt es die Forderung nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der dann - wenn die Krise einmal hinter uns liegt - die Dinge aufarbeiten soll, um auch die entsprechenden Lehren ziehen zu können.
Und im Fokus steht da schon jetzt Gesundheitsministerin Maggie De Block. Zwar sind viele der Ansicht, dass man erst den Brand löschen sollte, bevor man über vermeintliche Verfehlungen und Verantwortlichkeiten spricht. Die Kritik an De Block wird aber immer lauter.
Schutzmasken vernichtet
Ein häufig gehörter Vorwurf: De Block habe durch die wiederholten Sparmaßnahmen in den letzten Jahren das Gesundheitssystem nur geschwächt. Ein Beispiel hat gerade eben das Wochenmagazin Le Vif enthüllt. Demnach ist es so: Kürzlich wurde ein Vorrat an Schutzmasken vernichtet; das Haltbarkeitsdatum war abgelaufen. Diese strategische Reserve wurde aber nicht erneuert - aus Kostengründen, wie Le Vif und Le Soir berichten.
So etwas rächt sich natürlich im Krisenfall. Im Moment gibt es ja einen weltweiten Lieferengpass. Trotz der jüngsten Lieferungen fehlen immer noch Masken der Klasse FFP2, die also für das Personal bestimmt sind, die in direktem Kontakt mit Corona-Patienten sind.
Wie Le Soir berichtet, ist De Block anscheinend auch innerhalb der Regierung nicht mehr ganz unumstritten. Wobei sich anscheinend alle darüber im Klaren sind, dass das gerade nicht der beste Zeitpunkt ist für derlei Misstöne.
Roger Pint