"Jeder denkt, dass wir morgen den Höhepunkt erreichen. Aber ich kann garantieren, dass das nicht der Fall ist". Der Virologe Marc Van Ranst warnt in der aktuellen Lage der Corona-Krise zunächst vor zu viel Optimismus. So ist es wohl: Der eigentliche Sturm steht uns immer noch bevor. Schon jetzt steigt die Zahl der Patienten, die im Krankenhaus stationär behandelt werden müssen, täglich rapide an. Die Behörden hatten dazu in den letzten Tagen erstmals Zahlen veröffentlicht.
Noch kommen die Krankenhäuser gut damit klar. Vielerorts sind die Ärzte und Pfleger noch in einer Art Wartestellung und harren der Dinge, die da kommen werden. Auch haben die Maßnahmen, alle anderen Untersuchungen und Eingriffe abzusagen, geholfen, Kapazitäten freizugeben.
Marie-Helène Ska, Generalsekretärin der Gewerkschaft CSC, beschreibt die Lage wie folgt: "Das gesamte Personal des Gesundheitssektors ist bereit, noch mehr zu tun als sonst. Und dazu gehören zum Beispiel auch die Reinigungskräfte in Krankenhäusern und Altenheimen und die Menschen, die das Unterhaltungsprogramm gestalten. Die sind alle auf ihrem Posten, weil es ihre Aufgabe ist, für andere da zu sein. Da müssen wir alle den Hut vor ziehen."
Die Krankenhäuser sind vorbereitet. Sehr viel besser vorbereitet als zum Beispiel in Italien, da sind sich alle einig. Italien war in Europa zuerst betroffen und hat nach wie vor am schwersten mit der Ausbreitung des Virus und den Folgen zu kämpfen. Ein italienischer Arzt aus Bergamo hat zwei Botschaften: "Bleiben Sie zu Hause. Und zweitens, an alle die uns helfen möchten, wir brauchen dringend Krankenpfleger, Ärzte, Atemschutzmasken und andere Schutzkleidung".
Die Fallzahlen in Italien gehen auf die 40.000 zu und schon jetzt gibt es mehr Todesopfer, als in China. Nicht nur deshalb kann man mittlerweile sagen, dass die Situation in Italien – und damit in Europa – schlimmer ist, als sie in China jemals war. Denn in der Volksrepublik beschränkte sich die Epidemie fast ausschließlich auf eine Provinz, die Provinz Hubei mit der Metropole Wuhan. Die Verbreitung in andere Landesteile konnten die Behörden dort weitgehend verhindern. In Europa und besonders in Italien ist das Virus hingegen mittlerweile überall.
"Es weiß jeder, was jetzt kommt", sagt dazu der Virologe Van Ranst. "Ich garantiere, dass wir die heutigen Zahlen der Krankenhauseinweisungen und Todesfälle in wenigen Tagen schon niedrig finden werden. Es ist schrecklich, das sagen zu müssen, aber das ist die Realität. Danach wird es aber auch wieder besser."
Und wie lange wird es dauern, bis es wieder besser wird? Das ist nach wie vor schwer zu sagen. Van Ranst wagt aber eine Prognose und zieht Vergleiche mit einer Grippeepidemie sowie dem Ausbruch in China herbei: "Eine durchschnittliche Grippeepidemie in Belgien dauert zehn Wochen. Solange hat es auch in Wuhan gedauert. Und so wird es wohl auch hier sein. Darauf müssen wir uns jetzt einstellen."
Peter Eßer