Eine 90-jährige schwerkranke Frau ist das erste Todesopfer, erklärt Hervé Deladrière, der medizinische Leiter der Brüsseler Krankenhäuser Iris-Süd, auf der Pressekonferenz am späten Mittwochvormittag. Sie sei am Montagnachmittag mit schweren Symptomen einer Lungenerkrankung eingeliefert worden. Das legte die Vermutung nahe, dass die Patientin vom Coronavirus befallen war, woran sie am Dienstag dann auch verstarb.
Die Dame hatte bereits zahlreiche Krankheiten. "Das bestätigt das, was wir schon lange wussten", erklärt Steven Van Gucht, Chef des wissenschaftlichen Coronakomitees, "dass alte und bereits kranke Menschen besonders anfällig sind für eine Infektion". Und es wird in den kommenden Tagen wohl noch mehr Todesfälle geben, prophezeite am Mittag van Gucht. Das liege aber alles im Rahmen der Erwartungen.
Und tatsächlich: Gegen 15:30 Uhr bestätigte das föderale Gesundheitsministerium zwei weitere Todesfälle. Auch hier sind es ältere Menschen, die die Infektion nicht überlebt haben. Ein 73-jähriger Patient verstarb in einem Brüsseler Krankenhaus auf der Intensivstation, ein 84-jähriger Patient in einem Altersheim in der Gemeinde Sint-Genesius-Rode südlich von Brüssel.
314 bestätigte Infizierte
Auch bei den Infektionen steigen die Zahlen. 47 neue Fälle sind seit Dienstag hinzugekommen. Damit gibt es jetzt 314 bestätigte Infizierte. 314 sei sicherlich zu niedrig geschätzt, sagt Steven van Gucht. In Wahrheit gibt es mehr Fälle. Das sei in allen anderen Ländern aber auch so. Zum Sterblichkeitsfaktor möchte van Gucht hingegen keine Aussage machen. Das sei schwer zu sagen.
Das liegt daran, dass nicht jeder Einwohner getestet wurde. "Allerdings erklärt sich der neuerliche Anstieg auch damit, dass immer mehr Tests gemacht werden", erklärt Emmanuel André vom wissenschaftlichen Coronavirus-Komitee. Am Dienstag seien 639 Tests gemacht worden. Das mache jetzt insgesamt über 4.000. Die erste Steigerung war noch auf die Urlaubsrückkehrer zurückzuführen. Jetzt könne man tatsächlich sagen, dass Belgien sich am Anfang einer Epidemie befinde, so Emmanuel André.
Alle tragen Verantwortung
Das sagt auch Steven van Gucht. Seine Botschaft lautet: Wenn wir unser Verhalten anpassen, können wir noch einen großen Einfluss auf den Verlauf der Epidemie haben. Dann haben wir einen Hebel um den Peak, also den Höhepunkt der Epidemie, möglichst flach zu halten. Wichtig sei dafür aber, dass alle mitmachen, auch wer nicht zur Risikogruppe gehört. Alle tragen eine Verantwortung für die Allgemeinheit, für den Rest der Bevölkerung.
Dazu passt dann auch, dass inzwischen Großveranstaltungen wie Karneval und Konzerte ab 1.000 Besuchern in den größeren Sälen des Landes abgesagt sind, Unis ihre Vorlesungen online abhalten und Altenheime Besuche verbieten.
Steven van Gucht erinnert nochmal an die Regeln, die es zu beachten gilt. Wer sich krank fühlt, soll zu Hause bleiben, Großveranstaltungen vermeiden, Kontakte und Treffen einschränken. Körperliche Berührungen unterlassen und an die Arbeitgeber gerichtet: Heimarbeit, Videokonferenzen und flexible Arbeitszeiten ermöglichen.
Steven van Gucht sagt: "Es ist wichtig, dass wir das alles befolgen, denn es ist die einzige Waffe, die wir haben im Kampf gegen das Virus".
Volker Krings