Man kann sicherlich angenehmer geweckt werden. Um kurz vor sieben Uhr bekam der Präsident von Standard Lüttich, Bruno Venanzi, Besuch von der Polizei. Bei der Hausdurchsuchung, die dann folgte, ging es um eine Materialsammlung. Denn gegen Venanzi laufen bei der föderalen Staatsanwaltschaft Ermittlungen.
Im Zuge dieser Ermittlungen wurden dann auch Büros am Stadion von Standard Lüttich durchsucht und Material sichergestellt. Mit dabei am Stadion war auch der leitende Untersuchungsrichter Michel Claise sowie Mitarbeiter der föderalen Staatsanwaltschaft.
Die haben den Präsidenten von Standard Lüttich wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten bei drei Spielertransfers im Visier. Der Verdacht der Geldwäsche steht im Raum. Außerdem soll es um die Kommissionen gehen, die der Verein unter Leitung von Venanzi an den Spielervermittler Christophe Henrotay gezahlt hat, sowie an andere Beteiligte bei diesen drei Spielertransfers.
Aufhorchen lässt in diesem Dossier der Name Henrotay. Im September wurde dieser aufgrund eines internationalen Haftbefehls der föderalen Staatsanwaltschaft in Monaco festgenommen. Zurzeit wartet Belgien auf seine Auslieferung Dem Spielervermittler wird unter anderem Geldwäsche, Betrug, Korruption und Falschaussage vorgeworfen. Immer im Zusammenhang mit Transfers von Fußballspielern.
Tatsächlich ist Henrotay eine große Nummer im belgischen Fußball. Die Roten Teufel Thibaut Courtois und Yannick Carrasco hat er unter seinen Fittichen. Auch bei Standard Lüttich hat er großen Einfluss, seitdem 2015 Venanzi dort das Ruder übernommen hat. Venanzi und Henrotay sind oder waren zumindest befreundet. Im Zusammenhang mit dem Dossier Henrotay fanden am Mittwoch dann auch die auch Hausdurchsuchungen in Lüttich statt.
"Beide Male sind schriftliche Dokumente, Informatik-Dokumente und Telefone mitgenommen worden", sagte nach Ende der Hausdurchsuchungen Eric Van Duyse, Sprecher der föderalen Staatsanwaltschaft, gegenüber der RTBF. "Diese Gegenstände werden jetzt überprüft und ausgewertet", so Van Duyse weiter. "Zurzeit haben wir aber natürlich noch keine genauen Vorstellungen davon, was diese Dokumente beinhalten können."
Die heutigen Hausdurchsuchungen und das Dossier Henrotay stehen übrigens nicht im Zusammenhang mit dem großen Skandal, der den belgischen Fußball im Herbst 2018 erschüttert und zu mehreren Festnahmen von Spielervermittlern, Trainern, Managern und Schiedsrichtern geführt hatte.
Offiziell angeklagt oder beschuldigt wird noch niemand bei Standard Lüttich. Der Verein nahm am Mittwoch in einer Pressemitteilung zu den Hausdurchsuchungen Stellung. Darin beteuert der Verein, dass er zu jeder Zusammenarbeit mit den Ermittlern bereit sei und hoffe, dass schnell Klarheit geschaffen werde. Man sehe den weiteren Ermittlungen gelassen entgegen. Weitere Kommentare wolle man mit Rücksicht auf die laufenden Ermittlungen vorerst nicht machen.
Kay Wagner