"Der Minister hat entschieden, die Verkaufsentscheidung rückgängig zu machen", sagte der damals gerade erst frisch eingesetzte Ministerpräsident Elio Di Rupo zum neuen Nethys-Skandalfall Voo. Und direkt neben Di Rupo saß dabei Minister Pierre-Yves Dermagne, verantwortlich für öffentliche Verwaltung.
Allen voran muss er sich mit den Skandalen rund um Publifin, das ja heute Enodia heißt, und vor allem der Enodia-Tochter Nethys kümmern - als höchster politischer Verantwortlicher. Als solcher startete Dermagne am Freitag auch eine Medienoffensive. In mehreren Zeitungen und auch bei der RTBF äußerte er sich erstmals ausführlich zu verschiedenen Aspekten rund um das Dossier Nethys. Und dabei auch zu dem Verkauf von Voo.
In der Sendung "Matin Première" legte er noch einmal dar, warum der Verkauf von Voo damals gestoppt worden war. "Das alte Management hat heimlich versucht, einen Teil von Voo zu verkaufen, nämlich 51 Prozent - und das eben ohne die Einwilligung und das Einverständnis der Eigentümer und zudem noch zu Konditionen, die aus meiner Sicht das allgemeine Interesse der Aktionäre, der Mitarbeiter und der gesamten Struktur nicht gerecht geworden wären", sagte Dermagne.
Nachbesserung
Verkauft werden sollte Voo damals an den amerikanischen Investmentfonds Providence. 320 Millionen Euro hätte Voo damals angeblich kosten sollen. Ein Preis unter dem eigentlichen Wert des Unternehmens, wie es heißt. Dafür hätten aber die Nethys-Manager, allen voran Stéphane Moreau, an den Gewinnen beteiligt werden sollen, die Voo in Zukunft eingefahren hätte. Das erklärt, warum die ganze Aktion damals auch heimlich und ohne Wissen der Muttergesellschaft Enodia abgewickelt worden war.
Hier wurde nachgebessert. Der neue Käufer ist wieder Providence. Die Amerikaner scheinen sehr an Voo interessiert und waren wohl dazu bereit, auch die nachgebesserten Konditionen von Nethys zu akzeptieren. Minister Dermagne zählt einige der Verbesserungen auf: "Zunächst ist der Verkaufspreis gestiegen. Es gibt ein Veto-Recht für Nethys für den Fall, dass der Firmensitz verlegt werden soll, für den Fall von geplanten Massenentlassungen, und für den Fall, dass die Betriebe, mit denen Voo heute schon zusammenarbeitet, durch andere ersetzt werden sollen."
150 Millionen Euro mehr bekommen die Aktionäre von Nethys/Enodia jetzt für Voo, also vor allem die Provinz Lüttich und 76 Gemeinden. 49 Prozent von Voo bleiben weiter in der Hand dieser Aktionäre. Letztlich also ein guter Deal?
Minister Dermagne sagt Ja.
Kritik
Das PTB-Verwaltungsratsmitglied von Enodia, Damien Robert, sieht das nicht so. Robert spricht sich gegen den Verkauf von Voo aus. Er stellt die Frage: "Was wollen wir machen mit Gesellschaften in öffentlichem Eigentum? Wollen wir sie an den Privatsektor verkaufen, oder wollen wir aus ihnen interkommunale Gesellschaften machen, die demokratisch funktionieren und die Bürger und die Nutzer respektieren?"
Auch der PTB-Fraktionssprecher im wallonischen Parlament, Germain Mugemangango, kritisierte die Privatisierung von Voo am Freitagnachmittag als falschen Schritt.
Die rund 800.000 Kunden von Voo müssen jetzt erst einmal abwarten, was für sie diese Privatisierung bedeutet. Der neue amerikanische Eigentümer hat in der Vergangenheit schon andere europäische Kabel- und Telekommunikationsanbieter gekauft. Immer mit dem Ziel, sie nach ein paar Jahren gewinnbringend wieder abzustoßen.
Kay Wagner