"Das Wichtigste ist es jetzt, dass wir zu einer Lösung kommen", sagte Elio Di Rupo am Donnerstagabend in der RTBF. Es war sein erstes längeres Interview in seiner neuen Rolle: Di Rupo ist ja seit vier Monaten Ministerpräsident der Wallonischen Region. Zudem hat er im vergangenen Oktober nach 20 Jahren auch den PS-Vorsitz abgegeben.
Di Rupo ist also nicht mehr in der ersten Reihe bei den Bemühungen um die Bildung einer neuen Föderalregierung. Ein Urteil kann er sich aber natürlich erlauben, Di Rupo war schließlich sogar mal Premierminister. Und seine Botschaft ist klar und deutlich: Die Zeit drängt. Die Dinge müssten jetzt in Bewegung kommen.
"Und die Note der Informatoren?", wird Di Rupo gefragt. Am Donnerstag war ja ein Arbeitsdokument von Joachim Coens und Georges-Louis Bouchez durchgesickert. Die beiden Informatoren umreißen darin die groben Leitlinien einer möglichen Koalition, zumindest so, wie sie sich das vorstellen würden. Und auf den ersten Blick fällt auf, dass viele rote bzw. grüne Akzente verschwunden sind. Die Note scheint vielmehr deutlicher nach rechts zu tendieren, was also den Sozialisten und im Übrigen auch den Grünen nicht unbedingt gefallen dürfte.
"Ach wissen Sie", sagt Di Rupo. "Ich werde jetzt nicht den Inhalt dieser Note kommentieren. Wir brauchen jetzt schlicht und einfach Lösungen. Politiker sind schließlich dafür da, um sich mit den Problemen der Bürger zu beschäftigen." Klingt fast schon so, als würde er sagen: "Vergesst jetzt mal alle Eure Heiligen Kühe. Setzt euch jetzt vielmehr einfach nur an einen Verhandlungstisch und schmiedet einen Kompromiss!".
Wobei: Es ist nicht so, als habe Di Rupo da plötzlich sämtliche Vorbehalte über Bord geworfen. Ohne es ausdrücklich zu sagen, würde er wohl eine Koalition mit der N-VA am liebsten vermeiden. Er deutet es an, indem er in die Vergangenheit blickt: "Wir haben mit der N-VA in den letzten Monaten häufiger an einem Tisch gesessen", sagt Di Rupo. Er und sein Parteipräsident Paul Magnette hätten sich dabei redlich bemüht, konstruktiv nach Lösungen zu suchen. Die Antwort der N-VA sei aber immer die gleiche gewesen: "Wir müssen das Land spalten!".
Und das ist mit den Frankophonen nicht zu machen. Die Botschaft ist also: Solange die N-VA bei ihrer harten gemeinschaftspolitischen Linie bleibt, solange wird sich die PS auch nicht mit den Nationalisten in ein Boot setzen.
Nur: Dieses Patt dauert nun schon seit acht Monaten an. Lange kann das so nicht mehr weitergehen. Seit einiger Zeit geht denn auch ein Gespenst um: Immer wieder fällt das Wort "Neuwahlen". "Das wäre ein Scheitern der Demokratie", glaubt Di Rupo. "Wir haben doch erst am 26. Mai gewählt." Mit diesem Ergebnis müsse man jetzt leben und umgehen. Außerdem bestehe die Gefahr, dass bei Neuwahlen nur die Extreme weiter gestärkt werden.
Die Gefahr sehe er vor allem auf der flämischen Seite, sagt Di Rupo. Der rechtsextreme Vlaams Belang könnte im Falle von Neuwahlen durchaus zur stärksten Kraft werden. Fügt man dann noch das Gewicht der N-VA hinzu, dann würde das nationalistische Lager also wohl noch stärker. Und dann würde man sich in einer Situation wiederfinden, die noch schlimmer ist als heute. Dann stehe das Land wirklich vor einer Zerreißprobe. "Und das wollen wir nicht", sagt Elio Di Rupo.
Elio Di Rupo plädiert also an alle Akteure, jetzt Besonnenheit an den Tag zu legen. Er kann das jetzt, er ist ja nicht mehr in der ersten Reihe, sondern er spricht in erster Linie als wallonischer Ministerpräsident. Und doch ist es eben Di Rupo, der spricht, bemerkt die Zeitung Le Soir. Und Sinn und Zweck sei es denn auch, die Botschaft in die Welt zu setzen, dass die PS sich in dem föderalen Durcheinander immer noch konstruktiv verhalte. Di Rupos Rolle bestehe zumindest "auch" darin, den Schwarzen Peter möglichst weit von den Roten fernzuhalten.
Roger Pint