"Scharfe Kritik an der Informatoren-Note", so eine der dicken Schlagzeilen am Donnerstag in der Tagespresse. Und das sind genau die Schlagzeilen, vor denen der Informator und MR-Vorsitzende Georges-Louis Bouchez noch vor drei Wochen regelrecht gewarnt hatte. Die Situation ist ernst, hatte Bouchez erklärt. So ernst, dass sich alle Akteure entsprechend verhalten und sich vor allem in Zurückhaltung üben sollten. Und an die Presse gewandt, sagte Bouchez sinngemäß: Schreibt nicht irgendwas, nur um was zu schreiben.
Das war am 20. Dezember. Wirklich angekommen ist die Botschaft offensichtlich nicht, wie die heutigen Schlagzeilen beweisen. Einigen Zeitungen sind Teile der Note zugespielt worden, die die Informatoren wohl den verschiedenen Parteien in den letzten Tagen vorgelegt haben.
Seit dem vergangenen Montag haben die beiden Informatoren, also Georges-Louis Bouchez und auch der CD&V-Kollege Joachim Coens, nacheinander die Vorsitzenden der wichtigsten Parteien empfangen. Auf dem Tisch lag eben besagte Note. Auf lediglich 20 Seiten werden darin die Leitlinien einer künftigen Föderalregierung umrissen, zumindest so, wie sich die beiden Parteichefs das vorstellen würden.
Und der Inhalt dieser Note steht jetzt eben in einigen Zeitungen. Ganz oder in Teilen, schwer zu sagen. Auf dieser Grundlage kommen die Zeitungen jedenfalls alle zum gleichen Urteil: Die Informatoren hätten auf Steuerrad gedreht und den Kurs auf Mitte-Rechts ausgerichtet. Die roten und grünen Akzente, die noch in der Magnette-Note erkennbar waren, seien weitgehend verschwunden.
Dass das nicht ganz falsch sein kann, zeigt allein die Reaktion der N-VA. Die flämischen Nationalisten hätten "angenehm überrascht" reagiert, hieß es da. Einige verwenden gar das Wort "enthusiastisch". Der N-VA-Fraktionschef in der Kammer, Peter De Roover, wollte das Wort am Donnerstagmorgen im VRT-Radio zwar nicht in den Mund nehmen, er zeigte sich aber auch positiv: "Die Note sei doch schon recht weit von dem Magnette-Dokument entfernt - und das sei durchaus eine gute Neuigkeit".
Laut De Tijd ist der Kontrast durchaus sichtbar. So sei keine Rede mehr von einer Mindestrente von 1.500 Euro; auch eine ehrgeizige Klimaschutzpolitik suche man vergebens. Im Großen und Ganzen fühle man sich an die Politik der Schwedischen Koalition erinnert, schreibt die Wirtschaftszeitung: Die Informatoren wollten da weitermachen, wo die Regierung Michel aufgehört hat.
Klar, dass das bei den linken Parteien nicht ganz so gut ankommt. Die Reaktion insbesondere der Sozialisten und Grünen sei unterkühlt gewesen, berichten die Zeitungen übereinstimmend. Wobei der Groen-Parlamentarier Wouter De Vriendt am Donnerstagmorgen in der VRT hörbar auf Zurückhaltung bedacht war. "Wir werden jetzt nicht eine Informatoren-Note abschießen, die der Presse zugespielt wurde. Wir sind bereit, um uns an einen Tisch zu setzen und zusammen mit anderen Parteien nach einem starken Kompromiss zu suchen."
Denn, so sagt De Vriendt: "Das ist es, was die Bürger wollen: Die Parteien sollten endlich nach Lösungen suchen. Die Menschen haben die Nase voll von den Spielchen".
"Die Nase voll", das mag auch auf Georges-Louis Bouchez zutreffen. Er, der doch noch vor drei Wochen alle zur Besonnenheit aufgerufen hatte, muss jetzt mit ansehen, wie ein eigentlich vertrauliches Arbeitsdokument jetzt den Kritikern zum Fraß vorgeworfen wird. Entsprechend stinkig auch seine Reaktion auf Twitter: "Ist es wirklich seriös, eine Note zu kommentieren, die man nicht gelesen hat", schreibt Bouchez. "Ist es verantwortungsbewusst, wenn man ein Dokument anonym in die Welt setzt? Jetzt sind vielmehr Besonnenheit, Diskretion und konstruktive Arbeit vonnöten."
Bouchez' Twitter-Post in Gottes Ohr… Am Donnerstag wollen sich Bouchez und Coens noch einmal zusammensetzen, um eine vorläufige Bilanz ihrer Arbeit zu ziehen. Wie einige Zeitungen berichten wollen sie dann am Freitag richtig "Butter bei die Fische" tun, und einige Parteien kontaktieren mit Blick auf die Bildung einer Koalition. Andere sind der Ansicht, dass sie eigentlich nur den Weg bereiten wollen für einen möglichen Informator Bart De Wever.
Die nächsten Stunden können jedenfalls richtungsweisend sein. Am Montag werden die beiden Informatoren in jedem Fall im Palast erwartet, um König Philippe einen neuen Bericht vorzulegen.
Roger Pint