Am 21. Dezember 2018 war das Schicksal der Regierung Michel endgültig besiegelt. Begonnen hatte die Krise eigentlich schon am 8. Dezember. Premier Charles Michel war fest entschlossen, ins marokkanische Marrakesch zu reisen, um dort den UN-Migrationspakt im Namen Belgiens zu unterzeichnen. Bis dahin hatte sich nie jemand gegen den Pakt widersetzt. Plötzlich legt aber die N-VA ein Veto ein.
Die Sache eskaliert. N-VA-Chef Bart De Wever droht: "Wenn Michel nach Marrakesch reist, dann ist die Koalition bei seiner Rückkehr Geschichte". Michel fuhr nach Marrakesch; und die N-VA verließ die Koalition.
Erst versuchte Michel dann noch, eine Minderheitsregierung auf die Beine zu stellen. Im Parlament warb er um Unterstützung aus der Opposition, auch, um den Haushaltsplan 2019 zu retten. Der Appell blieb aber unbeantwortet. Am 18. Dezember sah sich Michel gezwungen, seinen Rücktritt einzureichen - und dieses Gesuch nahm der König dann drei Tage später an.
Seither ist die Regierung nur noch geschäftsführend im Amt. Viel passiert ist danach nicht mehr. Das Parlament war in zentralen Punkten oft blockiert. Einen wirklichen Haushalt gibt es nicht. Seit zwölf Monaten funktioniert Belgien mit provisorischen Zwölfteln.
Die Equipe hat sich auch radikal verändert: Premier Michel, und auch Außenminister Didier Reynders und der CD&V-Vizepremier Kris Peeters sind auf die EU-Ebene gewechselt. Premierministerin ist jetzt die MR-Politikerin Sophie Wilmès, die erste Frau an der Spitze einer - wenn auch geschäftsführenden - Föderalregierung.
Roger Pint
Nur der Wahrheit zuliebe, die Aussage:
"Michel fuhr nach Marrakesch; und die N-VA verließ die Koalition."
stimmt so nicht. Michel konnte und durfte ohne Regierungsbeschluss nicht nach Marrakesch fahren, also erst die NVA Minister entlassen, neue Minister bezeichnen, eine Regierungssitzung abhalten und sich auf dieser Sitzung von der neuen Regierung die Erlaubnis geben lassen nach Marrakesch zu fahren.
Als Michel am 10.12.2018 den Marrakesch Pakt unterzeichnete war die NVA nicht mehr Teil der Regierung, ebensowenig wie am 18/12/2018 als Michel dem König seinen Rücktritt anbot. Michel "versuchte" nicht eine Minderheitsregierung auf die Beine zu stellen, er hat sie auf die Beine gestellt, ist dann aber, trotz Kniefall vor Grünen und PS, im Parlament gescheitert. Aus Angst vor einem Mistrauensantrag der Opposition (Spa) ist er dann zum König gefahren und hat den Rücktritt seiner Regierung (ohne NVA) eingereicht.
Diese politische Krise ist die Geschichte des Versagens von hochbezahlten Mandataren. Es ist auch Geschichte von Madataren, deren Egoismus groesser ist als deren Pflichtbewusstsein.
Nach der letzten abgebrochenen Legislatur der Regierung Michel, ist der Glaube an ehrlicher föderaler Politik auf einem Tiefpunkt gesunken.
Michel hatte nur seine eigene (EU)Karriere im Sinn, und hat daher wohl auch in Marrakesch seine Regierung geopfert. Jetzt schert er sich herzlich wenig um das föderale Belgien, er hat sein Ziel erreicht.
Egal was sie jetzt dort im (fernen) Brüssel Flickschustern, es wird wohl die wenigsten Bürger interessieren, geschweige begeistern.
So ist nun eben Politik: Das Allgemeinwohl opfern, um seinen eigenen Vorteil in den Vordergrund zu rücken. Ich habe den Glauben an ehrliche und auf das Allgemeinwohl bedachte Politiker verloren. "Geld regiert die Welt", es wird immer schlimmer. Die Suche nach einem ehrlichen Politiker gleicht der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen!