Ein Duell, ein Zweikampf bei den frankophonen Liberalen MR: auf der einen Seite der 33-jährige Georges-Louis Bouchez, auf der anderen Seite der amtierende Minister unter anderem für Landwirtschaft und Mittelstand, Denis Ducarme.
Der Verweis auf den Film Rocky und damit auf einen Boxkampf, der kommt nicht von ungefähr. Das Duell zwischen Georges-Louis Bouchez und Denis Ducarme scheint nämlich auf einen regelrechten Hahnenkampf hinauszulaufen. Die Arena, das ist die zweite Runde bei der Wahl zum Vorsitzenden der MR. Diese Stichwahl war nötig geworden, weil keiner der insgesamt fünf Kandidaten die absolute Mehrheit errungen hat.
Auf der Pole Position: Georges-Louis Bouchez. Er bekam immerhin knapp 45 Prozent der Stimmen. Noch vor einigen Wochen war er einer breiten Öffentlichkeit noch nicht wirklich bekannt. Hervorgehoben hatte er sich bislang unter anderem in der Kommunalpolitik in Mons, erst als Koalitionspartner des damaligen Bürgermeisters Elio Di Rupo, und danach als dessen Lieblingsfeind. Die hitzigen Wortgefechte zwischen beiden hatten fast schon epischen Charakter.
Das hat auch mit dem Erscheinungsbild und der Persönlichkeit von Georges-Louis Bouchez zu tun. Smart, mit sauber getrimmtem Backenbart und fescher Frisur, immer adrett gekleidet: der Look eines Traumschwiegersohns. Zugleich aber scharfzüngig, äußerst direkt, manchmal polternd. Insbesondere in Sozialen Netzwerken hatte Georges-Louis Bouchez sich längst als, nennen wir es mal, "streitbarer Polemiker" einen Namen gemacht.
Auf der anderen Seite: Denis Ducarme. Ducarme ist ein doch bekanntes Gesicht der MR. Er ist der Sohn des ehemaligen Parteichefs und Brüsseler Ministerpräsidenten Daniel Ducarme, der inzwischen verstorben ist. Denis war zudem jahrelang Fraktionschef in der Kammer, inzwischen ist er Minister. Wenn Bouchez der "junge Wilde" ist, dann symbolisiert Denis Ducarme eher die Erfahrung, was seine tiefe, rauchige Stimme noch zu untermauern scheint.
Viel hat beide bislang wohl nicht verbunden. Und jetzt offensichtlich gar nichts mehr. Absurde Szene am Mittwochmorgen in der RTBF. "Wir hätten ja gerne ein Duell gesehen", sagt der Moderator. Nur ist das unmöglich. Deswegen: die zwei Interviews hintereinander. Während also Denis Ducarme im Studio Platz nahm, stand Georges-Louis Bouchez in der Regie und schaute sich das Interview an.
Vor einer Debatte müsse man sich erst Zeit nehmen für die Analyse, begründete Denis Ducarme seine Weigerung. Und seine Analyse, die fällt doch ziemlich scharf aus - aus Sicht der Partei betrachtet: Der Favorit der Parteispitze, der Mann, der von den Parteioberen gepusht worden sei, der habe nur knapp 45 Prozent der Stimmen bekommen. Heißt: Die Mitglieder hätten sich offensichtlich nicht bevormunden lassen.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass Georges-Louis Bouchez von der bisherigen Parteispitze ins Rennen geschickt wurde, allen voran Charles Michel, aber letztlich die meisten Mandatsträger haben sich offen hinter ihn gestellt.
45 Prozent, ist das also eine Enttäuschung? "Jetzt aber mal langsam", sagte Bouchez in der RTBF. "45 Prozent, bitte! Das ist doch ein Top-Ergebnis." Vor einigen Wochen noch hätte ihm das wohl niemand zugetraut.
Es fällt auf: Keiner von beiden nimmt des anderen Namen in den Mund. Auf die Weigerung von Denis Ducarme angesprochen, mit ihm zu debattieren, nimmt Bouchez dann aber kein Blatt vor den Mund: enttäuschend, lächerlich.
"Die Zeit der Debatten, die kommt noch", erwidert Ducarme. Erstmal scheint er sich nur an die Mitglieder wenden zu wollen, indem er sich quasi als "Anti-Establishment"-Kandidat darstellt. Kämpferisch gibt er sich jedenfalls: In einer Stichwahl sei alles möglich. Etwa, indem man versucht, Nicht-Wähler zu motivieren, doch ihre Stimme abzugeben.
Dass beide aber im Moment, wie der Flame sagt, "nicht mehr gemeinsam durch eine Tür kommen", das verspricht ein Duell mit harten Bandagen. Beide beschwören zwar die Einheit der Partei. Doch mag das nach einem neuen Flügelkampf riechen. 25 Jahre lang hieß es: Michel gegen Reynders. Vielleicht ist es bald: der Clan Ducarme gegen den Clan Bouchez.
Roger Pint