Das war im Übrigen der Grund für die verspätete Verabschiedung des Haushalts. Im Mittelpunkt der heutigen außerordentlichen Plenarsitzung der Kammer stand aber zunächst die neue Premierministerin.
"Willkommen geehrte Premierministerin", sagte Kammerpräsident Patrick Dewael und wiederholt es dann gleich nochmal: "PremierministerIN". Für Sophie Wilmès war es also die erste Kammersitzung als geschäftsführende Regierungschefin.
Dann ging's aber gleich ans Eingemachte. Denn: Es war Eile geboten. Die Kammer musste so schnell wie möglich noch am Donnerstag den Haushalt für die Zeit bis zum Ende des Jahres verabschieden. "Haushaltszwölftel" sind es, um genau zu sein, eins für November und eins für Dezember.
Es ist ja so, dass die Regierung seit fast einem Jahr nur noch geschäftsführend im Amt ist. Heißt: Es gab nie ein Budget 2019, zumindest wurde nie eins vom Parlament verabschiedet. Und in einem solchen Fall nimmt man, im vorliegenden Fall, den Haushalt 2018 und teilt den einfach durch 12. Der Nachteil ist natürlich, dass das Budget 2018 eben auf die damalige Situation zugeschnitten war und eventuell neue Gegebenheiten nicht berücksichtigt werden können. Das hat bekanntlich ganz konkrete Folgen: Der Haushalt entgleist mit jedem Tag ein bisschen mehr.
Wechselmehrheit
Eile war aber geboten aus einem ganz anderen Grund: In der vergangenen Woche hatte die marxistische PTB einen Änderungsvorschlag zum Haushalt eingereicht. 67 Millionen zusätzlich für den Pflegesektor sollten in das Budget aufgenommen werden. Die Nöte in den Krankenhäusern und in der häuslichen Pflege sind unbestritten groß. Und plötzlich kam dann auch eine überraschende sogenannte "Wechselmehrheit" zustande: Der Vorschlag wurde angenommen mit den Stimmen der Linksparteien und... des rechtsextremen Vlaams Belang.
Das hatte erstmal Auswirkungen auf das Timing: Die Maßnahme musste erst in die entsprechenden Vorlagen eingearbeitet werden; und deswegen musste die Abstimmung verschoben werden... Auf diese Woche...
In aller Munde war aber nach wie vor die besagte Wechselmehrheit für zusätzliches Geld für den Pflegesektor. Das ging, quer durch die Bank, von demonstrativ überschwänglicher Freude bis hin zu beißender Kritik. Die PTB, die Sozialisten und Grünen sowie dann eben auch der Vlaams Belang zeigten sich natürlich zufrieden.
Dämpfer der Regierung
Nur verpasste die Regierung den hohen Erwartungen dann gleich einen Dämpfer: Wir verstehen, dass es im Pflegebereich einen Bedarf an personellen und materiellen Mitteln gibt. Das jetzt vom Parlament bewilligte zusätzliche Geld könne aber zunächst nicht fließen, sagte der neue MR-Haushaltsminister David Clarinval und nannte zur Begründung "technische" Probleme.
"Da haben wir es!", tobte Peter Mertens von der PTB, die den Vorschlag ja ursprünglich eingereicht hatte. "Jetzt wird der Text in irgendeiner Arbeitsgruppe begraben und, ihr werdet sehen: Am Ende kommen die 67 Millionen nicht da an, wo sie dringend gebraucht werden."
Die Regierungsparteien und auch die N-VA beklagten ihrerseits, dass das Haushaltsloch nur noch größer werde. N-VA-Fraktionschef Peter De Roover wurde besonders deutlich: "Hört auf, den Nikolaus zu spielen."
"Hier wird doch nur gerade gerückt, was die Regierung vernachlässigt hat", wetterte der PS-Fraktionschef Ahmed Laaouej. Entsprechend müsse eben auch die Regierung für die Finanzierung sorgen.
CD&V und OpenVLD plädierten ihrerseits dafür, dass es eben in einer solchen Phase wie jetzt Absprachen geben müsse. Eben, um zu vermeiden, dass Gesetzestexte einfach so vom Himmel fallen. Kammerpräsident Dewael versprach jedenfalls, jetzt dafür zu sorgen, dass der Prozess zur Umsetzung des PTB-Vorschlags nicht tatsächlich versandet.
Der Haushalt wurde letztlich mit breiter Mehrheit verabschiedet. Die meisten Fraktionen sind sich aber auch noch in einem anderem Punkt einig: "Wir brauchen schnellstens eine neue, handlungsfähige Regierung".
Roger Pint