Der Hafen von Purfleet in der Themsemündung Mittwochfrüh. Gegen halb zwei wird ein Kühlcontainer von einem Schiff an Land verfrachtet. Hier handelt es sich eigentlich um einen Anhänger. Im Grunde ist es ein Kühlcontainer auf Rädern. Im Hafen wartet jedenfalls schon eine Zugmaschine. Der Anhänger wird angekoppelt und um kurz nach zwei Uhr belgischer Zeit macht sich der Sattelzug auf den Weg. Ziel ist ein nahegelegenes Industriegebiet, gelegen in der Stadt Grays in der Grafschaft Essex.
Was dort genau passiert ist, ist noch unklar. Fest steht, dass wenig später Sanitäter Alarm schlagen und die Polizei verständigen. Wie sich schnell herausstellt, hatte man in dem Kühlcontainer 39 Leichen entdeckt.
Es gibt zwar noch keine offizielle Bestätigung, aber man kann davon ausgehen, dass es sich um Migranten handelt, die versucht haben, über diesen Weg illegal nach Großbritannien einzureisen. Woran sie gestorben sind, ist auch noch unklar. Denkbar ist, dass sie erstickt sind oder erfroren. In dem Kühlanhänger herrschte eine Temperatur von durchgehend -25
39 Tote, 38 Erwachsene und ein Teenager. Eine Tragödie und nicht die erste dieser Art, was die Sache aber freilich nicht besser macht. In Großbritannien jedenfalls hat die Polizei gleich intensive Ermittlungen eingeleitet. Der Fahrer der Zugmaschine, die den Container am Hafen von Purfleet entgegengenommen hat, wurde festgenommen. Er steht unter Mordverdacht. Wobei natürlich noch ermittelt werden muss, ob der von den Flüchtlingen im Anhänger wusste.
Bei dem Verdächtigen handelt es sich um einen 25-jährigen Mann aus Nordirland. In Nordirland hat die Polizei in der Nacht zwei Hausdurchsuchungen durchgeführt. Laut Medienberichten gibt es wohl einen Zusammenhang mit dem Leichenfund.
Wenn überhaupt, dann ist der LKW-Fahrer aber wahrscheinlich nur ein kleiner Fisch. Die Suche nach den Drahtziehern des Menschenschmuggels dürfte sich aber als schwierig erweisen. Hier handelt es sich ja von Natur aus um international operierende Netzwerke...
Der Anhänger etwa trägt ein bulgarisches Kennzeichen. Gemeldet war der Trailer seit 2007 in der Küstenstadt Warna. Seitdem sei der Hänger aber nicht mehr in Bulgarien gewesen, werden örtliche Behördenvertreter zitiert. Also muss man versuchen, die Spur des Anhängers zurückzuverfolgen. Aus britischer Sicht beginnt diese Suche auf der anderen Seite des Ärmelkanals.
Und der anfängliche Verdacht hat sich inzwischen bestätigt: Der Container ist in Zeebrugge verschifft worden. Das sagte auch Dirk De fauw, Bürgermeister von Brügge und Vorsitzender des Hafens, in der VRT. Die Firma Cobelfret, die viele Transporte zwischen Zeebrugge und Purfleet abwickele, habe gemeldet, dass der Trailer höchstwahrscheinlich von Zeebrugge aus nach Großbritannien transportiert worden sei.
De fauw schließt aber aus, dass die mutmaßlichen Migranten auf dem Gebiet des Hafens in den Container gelangen konnten. Dann wäre nämlich das Siegel gebrochen gewesen, was nicht der Fall war, ansonsten wäre ihm nämlich der Zugang zum Hafen verweigert worden.
Genau das bestätigte in der VRT auch Christian, ein LKW-Fahrer, der häufig von Zeebrugge aus nach Großbritannien übersetzt. Das Siegel werde in der Regel gleich nach dem Beladen vom LKW-Fahrer bzw. in seiner Gegenwart platziert, also noch in der Firma, die die Ladung aufgibt. Nur sei es durchaus denkbar, dass der LKW-Fahrer das Siegel eben später platziert, etwa nachdem vielleicht Menschen den Container betreten haben. Der Fahrer, der den Anhänger nach Zeebrugge gebracht hat, wäre demnach zumindest ein Verdächtiger.
Weil Zeebrugge in dieser Tragödie in den Fokus geraten ist, ermittelt natürlich inzwischen auch die belgische Justiz. Gleich nach Bekanntwerden des Falls hat die Föderale Staatsanwaltschaft angekündigt, eine Untersuchung einzuleiten. Am Vormittag gab die Behörde schon erste Ergebnisse bekannt.
Demnach kann man es als erwiesen betrachten, dass der Container über Zeebrugge verschifft wurde. Der Trailer sei am Dienst gegen 15:00 Uhr auf dem Hafengebiet angekommen und einige Stunden später in Richtung Purfleet verschifft worden, wo er am Mittwochmorgen um 01:00 Uhr angekommen sei.
Wann die Migranten in den Container gelangt seien, und ob das in Belgien gewesen sei, das wisse man noch nicht. Man werde eng mit den britischen Justizbehörden zusammenarbeiten. Ab jetzt will die Föderale Staatsanwaltschaft keine weiteren Informationen mehr freigeben...
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Roger Pint