Eigentlich hatten Rudy Demotte und Geert Bourgeois den Auftrag vom König bekommen, da weiter zu machen, wo die beiden ersten Informatoren, Didier Reynders und Johan Van Delanotte, aufgehört hatten. Nämlich Gespräche zu führen mit den Parteien, die nach den ersten Wochen und Monaten der Sondierungsgespräche zur Bildung einer möglichen Föderalregierung übriggeblieben waren. Das waren die beiden stärksten Parteien, N-VA und PS, und daneben noch die beiden liberalen Parteien, MR und OpenVLD, sowie die SP.A und die CD&V. Alle anderen Parteien waren aus unterschiedlichen Gründen aussortiert worden.
Jetzt haben Demotte und Bourgeois zwei von diesen ausgebooteten Parteien einfach wieder ins Boot zurückgeholt: nämlich die beiden Grünen-Parteien Ecolo und Groen. Nach übereinstimmenden Medienberichten haben Demotte und Bourgeois vergangene Woche schon mit diesen Parteien gesprochen. Somit sind jetzt wieder acht Parteien mit im Spiel bei der Suche nach einer neuen Regierung.
Dadurch haben sich die Voraussetzungen zur Bildung einer neuen Regierung ganz klar verändert. Bislang - und davon hatten auch Reynders und Van Delanotte ja zum Schluss immer nur noch gesprochen - galt es als ausgemacht, dass es ohne eine Zusammenarbeit zwischen PS und N-VA nicht gehen würde. Und das, obwohl die beiden Parteien ja eigentlich so gar nicht miteinander können, vor allem die PS nicht mit der N-VA. Die da angedachte Koalition wäre eine so genannte burgundische Koalition aus den beiden sozialistischen Parteien, den beiden liberalen Parteien und der N-VA.
Burgundische Koalition vs. Regenbogenkoalition
Trotzdem hatte man bei der PS zurecht ja immer auch betont, es gebe rein rechnerisch noch weitere Alternativen. Und die werden jetzt auch wieder greifbar mit den Grünen. Denn immer noch auf der Ebene des rein rechnerischen ist jetzt eine Alternative zu der burgundischen Koalition möglich - und zwar eine Regierung mit der PS, aber ohne die N-VA. Das wäre dann eine so genannte Regenbogenkoalition aus Sozialisten, Grünen und Liberalen aus beiden Landesteilen. Auch die hätten rein rechnerisch eine Mehrheit, um föderal regieren zu können. Von daher ist alles jetzt wieder ein bisschen spannender geworden, zumindest theoretisch, auf dem Papier.
Ob sich aber konkret etwas ändern wird, darüber gehen die Meinungen tatsächlich ein bisschen auseinander. In den Zeitungsberichten, die es jetzt schon zu dieser Wiederberücksichtigung der Grünen gibt, wird oft geschrieben, dass das eigentlich nur ein Manöver von Demotte und Bourgeois sei, weiter Zeit zu gewinnen. Zeit, die die beiden großen Parteien N-VA und PS einfach noch brauchen, um miteinander warm zu werden. Das würde also heißen, dass die beiden Vor-Regierungsbildner nicht wirklich an die Alternative zur PS-N-VA-Lösung glauben.
Und einiges spricht auch tatsächlich dafür, dass dieses Regenbogenkoalition aus Sozialisten, Grünen und Liberalen in der Praxis tatsächlich nicht zustande kommen kann. Die flämischen Liberalen von der OpenVLD wären nämlich dadurch in einer misslichen Lage. Sie sind ja in Flandern an der Regierung beteiligt zusammen mit der N-VA und der CD&V, hätten aber auf föderaler Ebene ihre beiden regionalen Regierungspartner gegen sich in der Opposition. Ob sich die flämischen Liberalen das antun wollen, ist die eine große Frage.
Die andere ist, ob die flämischen Parteien dazu bereit wären, Teil einer Föderalregierung zu sein, die in Flandern keine Mehrheit besitzt. OpenVLD, SP.A und Groen zusammen haben nun mal keine Mehrheit in Flandern, und wären quasi auch die Juniorpartner in einer frankophon dominierten Regierung. Und nach all dem, was man hört, würde so etwas ganz, ganz schlecht bei den Wählern in Flandern ankommen. Stellt sich also die Frage, ob die Parteien diesen Schritt machen würden.
Druck durch Magnette?
Aber warum ist die Regenbogenkoalition jetzt überhaupt noch mal ins Spiel gebracht worden? Die Kollegen in den Zeitungen gehen davon aus, dass der neue PS-Parteivorsitzende Paul Magnette etwas Druck auf die beiden Vor-Regierungsbildner ausgeübt haben könnte. Und tatsächlich kann die PS von Magnette durch die Wiederberücksichtigung von Ecolo und Groen nur gewinnen. Die PS wäre dadurch den Schwarzen Peter los, dass es an ihr alleine hängt, dass es mit der Bildung einer neuen Föderalregierung nicht klappt. Den Schwarzen Peter hätte sie nämlich, wenn sie weiter an ihrer Weigerung festhält, nicht mit der N-VA zusammen regieren zu wollen.
Wenn die PS jetzt die rein rechnerisch mögliche Regenbogenkoalition als Alternative anbieten kann, die aber - sollte sie scheitern - nicht an der PS scheitern würde, dann wären andere Parteien auch daran Schuld, dass es keine neue Föderalregierung gibt. Die Schuldfrage wäre dann verteilt - und die PS fein raus.
Kay Wagner