In der Rolle des Informators war Vande Lanotte um Diskretion bemüht. Vier Monate lang hatte er gemeinsam mit Didier Reynders nach inhaltlichen Schnittmengen zwischen den wichtigsten Parteien gesucht, um so eine Basis für die Bildung einer neuen Föderalregierung zu legen. Es ging also darum, zu schauen, wie man Feuer und Wasser versöhnen kann. Das macht man gerne in Ruhe und nicht unbedingt in den Medien.
Jetzt ist dieser Auftrag vorbei und Vande Lanotte kann ohne Rücksicht Dinge sagen. Das hat er am Wochenende im VRT-Fernsehen getan - und da war er sehr selbstkritisch mit der Politik. Seine Zielscheibe waren die bisherigen und vielleicht kommenden Staatsreformen. Ein Land könne es sich nicht erlauben, alle zehn Jahre das Wesen des Staats in Frage zu stellen, sagte Vande Lanotte. "Wie können wir von den Bürgern verlangen, dass sie ihren Regierungen trauen, wenn die alle zehn Jahre sagen: Dieser Staat funktioniert so nicht. Wir müssen das System wieder verändern."
Vande Lanotte ist davon überzeugt, dass man die defensive Haltung der Frankophonen entschärfen könnte, wenn man sie davon überzeugt, dass da etwas Definitives entsteht, etwas das Bestand hat. Und das erfordert, dass Flandern sagt: "Damit sind wir endgültig zufrieden".
Lasst die nächste Staatsreform die letzte sein - das kann man da raus hören. Für Vande Lanotte sind die aktuellen Umstände einfach untragbar und nicht mehr zu verantworten. In den letzten zehn Jahren habe man das Land ganze drei Jahre mit diensttuenden Regierungen verwaltet. Die ständige Abwehrhaltung zwischen den Landesteilen halte man keine 30 Jahre aus. Es gebe genug Probleme, die gelöst werden müssen und ein Land, das sich ständig streitet, sei nicht wettbewerbsfähig, nicht glücklich und gefährde den Wohlstand, sagt Vande Lanotte.
Er fordert, dass man reinen Tisch macht. Wie das Land sich nach den sechs vergangenen Staatsreformen entwickelt hat, könne man historisch nachvollziehen. Aber das System der Regionen und Gemeinschaften sei nicht mehr zeitgerecht. Es gebe zu viele Parlamente und Regierungen. Deshalb müsse eine transparentere Struktur her. Vande Lanotte schlägt einen Bundesstaat mit vier Teilstaaten vor: Flandern, die Wallonie, Brüssel und die Deutschsprachige Gemeinschaft. Diese Teilstaaten sollen aber weniger Zuständigkeiten haben als bislang.
Johan Vande Lanotte fordert also ein Belgien zu viert. Neu ist das aber nicht. Das haben schon mehrere Politiker gefordert, vor allem in Ostbelgien. Nur jetzt hat es auch mal ein flämischer Politiker ausgesprochen, der nach jahrzehntelanger Ministererfahrung und als Informator die Machtverhältnisse bestens kennt. Und wenn der den Finger in die Wunde legt, ist das doch auch wert, gehört zu werden.
vrt/mz
Ich kann "Johan" nur zustimmen ! Recht hat er ! Wir alle, ganz gleich wo wir Leben in der Wallonie oder in Vlaanderen oder eben in der DG. sind Belgier, sind Belgien seit 1831 ! Die jeweilige Landessprache in der Region sollte kein
Hinderungsgrund sein um nun endgueltig fuer EIN GEMEINSAMES BELGIEN
die notwendigen politischen Schritte zu unternehmen.
Es ist die nationalistische Politik, welche seit 1831 jegliche Art des Zusammengehoerigkeitsgefuehls aus eigenen Machterhalt massiv unterdrueckt haben.
Ein gut funktionierender belgischer Bundesstaat aus 4 Regionen und einer klaren und logischen Kompetenzverteilung zwischen Regionen und Föderalebene wäre natürlich das beste für die Einwohner Belgiens. Nur glaube ich, viele Politiker wollen das nicht. Es würde vielen die Daseinsberechtigung nehmen. Denn solange der belgische Staat nicht richtig funktioniert, haben Nationalisten und allerlei Extremisten Hochkonjunktur. Und ein gut funktionierendes Staatswesen würde ihnen die Daseinsberechtigung nehmen. Darum denke ich, es wird auch in den nächsten Jahren am belgischen Staatswesen herumgeschustert (genannt Staatsreform) auf Kosten des Steuerzahlers.