"Game over", schreibt am Montag schon die Zeitung Le Soir. "Nichts geht mehr", meint La Libre Belgique. Die neue wallonische Regionalregierung will offensichtlich den Klotz am Bein loswerden. Denn genau das ist die unendliche Geschichte um Nethys. Die Tochtergesellschaft der Lütticher Interkommunalen Enodia hat in den letzten Jahren die Politik in der Wallonie nachhaltig erschüttert. Nicht vergessen: Enodia hieß früher mal Publifin - und mit diesem Namen ist schließlich einer der größten Skandale der jüngeren Geschichte in der Wallonie verbunden.
Der Name mag sich geändert haben, der Rest aber offensichtlich nicht. Vor einigen Wochen war bekannt geworden, dass Nethys drei Tochtergesellschaften verkaufen will. Die Deals waren schon weitgehend eingefädelt worden - und zwar kurz vor der Wahl, am 22. Mai.
Die ersten Presseberichte darüber schlugen wie eine Bombe ein. Da stand zum Beispiel zu lesen, dass der Telekom-Anbieter Voo an einen amerikanischen Investmentfonds verkauft würde. Nethys wollte sich ebenfalls von der Windenergie-Gesellschaft Elicio und dem IT-Dienstleister Win trennen. Und da wurde es dann richtig pikant: Beide Unternehmen sollten nämlich an eine gerade erst gegründete Firma verkauft werden, die keinem Geringeren gehört als François Fornieri. Der ist nicht nur Mitbegründer des extrem erfolgreichen Pharmaunternehmens Mithra, der Lütticher Geschäftsmann saß außerdem im Verwaltungsrat von Nethys. Ein offensichtlicher Interessenkonflikt. Man muss noch nicht mal bösen Willens sein, um zu behaupten, dass Fornieri hier Verkäufer und Käufer zugleich ist. Das Ganze war zumindest "anrüchig".
"Sofort nach der Bildung der Regionalregierung haben wir mit der Prüfung all dieser Vorwürfe begonnen, die da so im Raum standen", sagte der neue wallonische Ministerpräsident Elio Di Rupo auf einer eiligst einberufenen Pressekonferenz. Und die Tatsache, dass das am "heiligen Sonntag" war, mochte darauf hinweisen, dass inzwischen auch Ergebnisse dieser Untersuchung vorliegen.
Zwei Mal hatte die Regionalregierung die Verantwortlichen von Nethys um nähere Einzelheiten über die besagten drei Deals gebeten. Nethys hatte dem auch Folge geleistet. Die so beigebrachten Dokumente seien ausgiebig untersucht worden, unter anderem zusammen mit ausgewiesenen Experten, sagte der zuständige wallonische Minister Pierre-Yves Dermagne. Und man sei zu dem Schluss gekommen, dass der Verkauf der drei Unternehmen nicht gemäß der geltenden Regeln erfolgt sei.
Erstens: Die drei Transaktionen seien nicht vom Verwaltungsrat der interkommunalen Muttergesellschaft Enodia abgesegnet worden. Allein das sei illegal. Hinzu komme, zweitens, dass insbesondere beim Verkauf von Elicio und Win an die Gesellschaft von Fornieri das Allgemeinwohl nicht im Vordergrund gestanden habe. Konkret: Die Unternehmen sind nicht zum Verkauf ausgeschrieben worden. Es konnte sich also kein anderer bewerben. Damit hätte man vielleicht einen höheren Ertrag erzielen können. Und obendrauf dann noch der Interessenkonflikt um Fornieri, wobei ja ursprünglich geplant war, dass Stéphane Moreau auch noch Geschäftsführer dieser neuen Gesellschaft Ardentia werden sollte.
Also: Missachtung der Regeln und des Allgemeinwohls. Deswegen würden die drei Transaktionen schlicht und einfach für null und nichtig erklärt, sagt Elio Di Rupo. Und, weil hier mutmaßlich gegen geltendes Recht verstoßen wurde, ist es dann auch nur folgerichtig, dass die Regionalregierung die Akte der Justiz übermittelt.
Das ist also gleichzeitig ein Ende und ein Anfang: Der Nethys-Spuk ist jetzt wohl vorbei, wobei die juristische Aufarbeitung gerade erst begonnen hat. Vielleicht, so meint die Zeitung L'Avenir, fängt die Geschichte immer noch gerade erst an...
Roger Pint