Naya ist die erste Wölfin, die nach rund hundert Jahren wieder in Belgien gesichtet wurde. Seit Anfang 2018 hält sie sich in der Provinz Limburg auf. Mit Wolf August hat sie mittlerweile einen männlichen Gefährten gefunden. Im Frühjahr deutete viel darauf hin, dass Naya schwanger war. Doch seitdem wurde sie nicht mehr gesichtet.
Eigentlich, so hatten es Naturschützer in Flandern noch Ende April berechnet, hätten zurzeit fünf bis sechs Wölfe durch die Wälder und Wiesen der Provinz Limburg streifen sollen. Die drei bis vier Wolfswelpen könnten mittlerweile groß genug sein, um mit Mama und Papa frei in der Natur herumzulaufen.
Doch wahrscheinlich streift der Rüde August inzwischen alleine durch die Natur, so sagen es die Experten des flämischen Natur- und Waldamtes (Natuur en Bos). Sie beobachten die Wölfe mithilfe von Nachtkameras, die hin und wieder Bilder von den wilden Tieren aufnehmen.
Anhand dieser Bilder glaubten sie Ende April auch zu erkennen, dass Naya schwanger war. Doch seitdem ist sie nie mehr auf diesen Bildern gesichtet worden. Für die Experten des Natur- und Waldamtes steht deshalb fest, dass Naya nicht mehr lebt. Und sie wahrscheinlich gezielt getötet wurde.
"Wir haben alle anderen möglichen Spuren, die zu einem natürlichen Tod hätten führen können, untersucht. Wir haben geschaut, ob Krankheiten in dem Gebiet geherrscht haben oder andere Gründe möglich sein könnten. Alles negativ. Deshalb gehen wir davon aus, dass sie gewaltsam ums Leben kam", sagt die Amtssprecherin Marie-Laure Vanwanseele.
Wilderer sollen für den Tod von Naya verantwortlich sein. Dieser Vorwurf steht im Raum. Dass Naya Feinde hatte unter den Menschen der Provinz, ist nicht neu. Vor allem Viehzüchter sind – gelinde gesprochen – wenig begeistert darüber, dass sich der Wolf wieder breit zu machen droht in der Region. Sie sehen durch reißende Wölfe den Bestand ihrer Herden gefährdet.
Doch Wölfe einfach töten, das geht nicht, sagt Marie-Laure Vanwanseele: "Das ist ein absoluter Verstoß gegen den Naturschutz. Dafür gibt es Strafen von bis zu zwei Monaten Gefängnis und zwei Millionen Euro. Das ist keine kleine Straftat. Wir nehmen das wirklich ernst."
Deshalb wollen die Mitarbeiter des flämischen Natur- und Waldamtes das Verschwinden von Naya nicht ungeklärt lassen. "Unsere Ermittlungen gehen weiter", betont Sprecherin Vanwansseele. "Wir möchten an diesem Fall ein Exempel statuieren. Wir wollen genau wissen, was durch wen passiert ist. Alle Informationen dazu sind bei uns sehr willkommen."
Belohnung ausgesetzt
Seit Kurzem gibt es deshalb auch einen finanziellen Anreiz, Informationen zum Verschwinden von Naya mitzuteilen. Mindestens drei Naturschutzvereinigungen haben bereits Prämien ausgeschrieben für Hinweise, die zur Aufklärung des Todes von Naya beitragen.
10.000 Euro gibt es bei der flämischen Vereinigung "vogelbescherming", jeweils 5.000 Euro bei "Animal Rights" und dem "Natuurhulpcentrum" aus dem Gebiet in Limburg, in dem Naya zu Hause war. Dries Damiaens arbeitet bei diesem Verein, der sich vor allem um kranke und verletzte Wildtiere kümmert. Damiaens erklärt: "Das ist kein Geld von unserem Zentrum. Das Geld kommt von Menschen, die bei uns angerufen haben, also von Sympathisanten, die schockiert sind, dass Naya womöglich tot ist."
Ob die weiteren Ermittlungen und die lockenden Prämien tatsächlich dazu führen, eines Tages Klarheit über den Verbleib von Naya zu erhalten, bleibt vorerst dahingestellt. Sicher sind sich die Experten hingegen bei ihrer Einschätzung, dass bald schon neue Wölfe aus Richtung Deutschland in Limburg auftauchen werden.
Und August ist sowieso noch da. Erst vergangene Woche hat eine Kamera den Wolfs-Rüden auf einem seiner nächtlichen Streifzüge mal wieder aufnehmen können.
kw/jp