Für Charles Michel war es nicht der erste Auftritt vor der UN-Vollversammlung in New-York. Und doch war es ein besonderer. Michel weiß nur zu gut, dass er jetzt von vielen mit anderen Augen gesehen wird. Er ist nicht mehr "nur" der - amtierende - Premierminister von Belgien, er ist jetzt der künftige EU-Ratspräsident. Und damit bald einer der höchsten und sichtbarsten Vertreter der Europäischen Union. Michel gehört bald zu den Bigplayern auf der internationalen Bühne.
Es kursiert ein Foto, das das alles zu untermauern scheint. Zu sehen ist Charles Michel, der zusammen mit zwei der engsten Vertrauten von Donald Trump an einer Dinnertafel sitzt, nämlich mit der Präsidententochter Ivanka nebst Gemahl Jared Kushner. "Die Amerikaner fühlen bereits dem neuen EU-Ratspräsidenten auf den Zahn", schreibt dazu die Zeitung Le Soir.
Drei große Herausforderungen
Michel schlüpft also bald in einen neuen Anzug. Und entsprechend hörte sich seine Rede vor der Vollversammlung fast schon so an, als formuliere da einer die Leitlinien seines künftigen Handelns. Michel sieht drei große Herausforderungen für die Welt, die da wären: der Klimawandel, die nachhaltige Entwicklung und schließlich Frieden und Sicherheit.
Der Klimawandel ist also die erste aller Prioritäten. Hier plädiert Michel für entschlossenes Handeln, gemäß dem Pariser Abkommen. "Wir sollten aber hier nicht in Weltuntergangsstimmung verfallen", warnt Michel. "Wir dürfen uns nicht von Wut und Angst übermannen lassen. Angst ist immer eine schlechte Beraterin. Wir sollten vielmehr versuchen, das Ganze in positive Energie umzuwandeln. Wir müssen auf Forschung und Entwicklung vertrauen, neue Techniken entwickeln, und das macht letztlich aus dem Klimawandel eine Chance", sagt Michel.
Gleichbehandlung und Sicherheit
Im Zusammenhang mit den UN-Zielen im Bereich der nachhaltigen Entwicklung brach Michel insbesondere eine Lanze für den Kampf gegen die Armut in der Welt. Gleichbehandlung der Menschen insgesamt, das müsse eins der wichtigsten Anliegen sein. Und das bedeutet auch, dass in dieser Welt kein Platz für Hass sein darf: "Rassismus, Antisemitismus, Homophobie, Ausgrenzung, Islamophobie, all das ist Gift für unsere Gesellschaften".
Womit auch die Brücke zur dritten Priorität geschlagen wäre: Sicherheit. Der Terrorismus ist nicht besiegt. Auch Belgien sei das Opfer von extremistischem Terrorismus geworden. Diese Geißel müsse mehr denn je entschlossen bekämpft werden.
Angesichts der zahlreichen Krisenherde in der Welt, vor allem im Nahen und Mittleren Osten, rief Michel alle Beteiligten zu Zurückhaltung auf. Das gelte insbesondere für die Golfregion, wo die Spannungen ja gerade in jüngster Zeit zugenommen haben.
Plädoyer für Multilateralismus
Klimawandel, nachhaltige Entwicklung, Frieden und Sicherheit, all diese Herausforderungen setzen voraus, dass die Staaten der Welt zusammenarbeiten, betonte Michel immer wieder. Internationale Kooperation sei mehr denn je von wesentlicher Bedeutung. Und dann nahm er fast direkt Bezug auf die jüngste Rede des US-Präsidenten Donald Trump am selben Rednerpult. Grob gerafft hatte Trump ja für eine Haltung nach dem Motto "Jeder für sich" plädiert. "Patriotismus, das bedeutet, dass man das Beste für seine Mitbürger anstrebt. Das Beste für die eigenen Bürger und die anderen anzustreben, das ist die Essenz der Vereinten Nationen."
Ein Plädoyer gegen die Abschottung also, für Multilateralismus. "Wir sollten nicht polarisieren, spalten, konfrontieren, sondern uns vernetzen, zusammenschließen, uns entfalten. Und der Mörtel, das müssen die universellen Werte sein und der Rechtsstaat."
Roger Pint