Die Eigentümer von Enodia sind verstimmt, um nicht zu sagen verärgert. Die Eigentümer von Enodia, das sind vor allem 76 Gemeinden aus der Region Lüttich. Vor Jahrzehnten schon hatten sich viele von ihnen zusammengeschlossen, um eine Gesellschaft zu gründen, die gewisse Dienstleistungen für die Gemeinden anbieten soll. Etwas, was man heute eine Interkommunale nennt. Diese Interkommunale sollte im besten Fall auch Geld einbringen. Also wurde ein kommerzieller Arm gegründet, der heute mit Unternehmensnamen Nethys heißt.
Nethys investiert das Kapital, das die Gemeinden der Interkommunalen zur Verfügung gestellt haben. Verständlich, dass die Gemeinden gerne wissen wollen, was mit ihrem Geld bei Nethys so passiert.
Beim Verkauf von Voo ist das aber nicht passiert. Erst am Samstag bekamen die Öffentlichkeit und damit auch die Bürgermeister überhaupt mit, dass Nethys sich mit dem amerikanischen Investor Providence über einen Verkauf von Voo geeinigt hatte. Vieles an der Verkaufsaktion ist nicht deutlich.
Das wollen die Bürgermeister ändern. "Die ganze Sache ist ziemlich undurchsichtig", sagt Benjamin Houet, MR-Bürgermeister von Soumagne. "Für die Gemeinden ist es aber wichtig, zu verstehen, was passiert. Es geht hier um öffentliche Investitionen. Die Gemeinde Soumagne und viele andere Gemeinden sind Aktionäre von Enodia. Wir müssen verstehen können, was da passiert."
Neben dem Verständnis, warum gerade der amerikanische Investor den Zuschlag erhalten hat und was gegen die Mitbewerber sprach, geht es auch um die Finanzen. Denn wenn Nethys etwas verkauft, soll das ja mit Gewinn für die Gemeinden passieren.
Cédric Halin, Bürgermeister der Gemeinde Olne und derjenige, der durch seine Enthüllungen den Publifin-Skandal vor knapp drei Jahren ins Rollen gebracht hatte, sagte am Mittwoch in der RTBF: "Die Gemeinden haben vor Jahren in die Interkommunale investiert. Sie sind Teilhaber, Aktionäre. Deshalb würden wir als Gemeinden auch gerne verstehen wollen, welche Gewinne uns die ganzen Geschäfte bringen werden. Zurzeit haben wir darüber noch keine Informationen. Beziehungsweise nur ganz wenige."
Die Bürgermeister der 76 Gemeinden aus dem Raum Lüttich, denen Enodia gehört, haben jetzt eine Anwaltskanzlei gebeten, sie zu unterstützen. Ziel ist eben: Klarheit zu erhalten über das, was Nethys da gerade mit Voo und anderen Unternehmen macht.
Anteilhaber von Voo ist allerdings auch noch Brutélé, ein interkommunaler Anbieter von Kabelfernsehen und Internet in der Region Brüssel. Nethys will die Anteile, die Brutélé an Voo besitzt, jetzt wieder zurückkaufen, damit Voo als Ganzes an den amerikanischen Investor veräußert werden kann.
Doch Brutélé hat jetzt die Verhandlungen über den Rückkauf seiner Voo-Anteile ausgesetzt. Grund auch hier: die fehlende Transparenz des Geschäfts mit den Amerikanern. Didier Gosuin, Bürgermeister der Brüsseler Stadtgemeinde Auderghem, sagt dazu: "Wir stellen fest, dass die Filiale Nethys noch nicht einmal die Muttergesellschaft Enodia informiert. Und dass Enodia selbst dann auch nicht Brutélé informiert. Das geht nicht bei einer Angelegenheit, bei der es um mehrere 100 Millionen Euro geht. Das ist nicht seriös. Es geht hier um öffentliche Gelder. Man verhält sich hier wie Cowboys."
Von einem übertriebenen Misstrauen gegenüber Nethys will Gosuin dabei nichts wissen. Er begründet vielmehr: "Das ist doch irgendwo verständlich: Nach all dem, was bei Publifin passiert ist, hat man meiner Meinung nach das Recht, ein bisschen skeptisch zu sein."
Kay Wagner