Dominique Leroy geht - und hinterlässt zumindest am Tag nach ihrer Ankündigung viele unbeantwortete Fragen. Weshalb geht sie wirklich? Ist es wirklich nur der Wille, jetzt eine internationale Karriere zu starten, wo sie als Mutter zu Hause nicht mehr gebraucht wird, weil die Kinder aus dem Haus sind? So sagte sie es jedenfalls. Das sei der Hauptgrund. Und nicht das Geld.
Tatsache ist jedoch - und das ist vielen Beobachtern nicht entgangen: Bei KPN wird sie mit Sicherheit mehr verdienen als bei Proximus. Deutlich mehr sogar. Die 940.000 Euro, die sie 2018 zuletzt mit allen Zuschlägen und Boni zusammen verdient hatte, könnten sich fast verdoppeln beim neuen Arbeitgeber.
Der ist zwar auch der Nachfolger eines ehemaligen Staatsunternehmens - genau wie Proximus. Doch im Unterschied zu Proximus ist der niederländische Betrieb jetzt zu 100 Prozent in privater Hand. Bei Proximus besitzt immer noch der Staat die Mehrheit der Aktien.
Deshalb war auch das Gehalt von Leroy gedeckelt gewesen. Und für Alexander De Croo ist der Weggang von Leroy auch kein Grund, daran etwas zu ändern. "Das Gehalt, das sie bei Proximus bekommen hat, ist schon ziemlich hoch", sagte der Vizepremier am Freitag gegenüber der RTBF. "Und ehrlich gesagt sehe ich keinen Grund, um das grundsätzlich zu ändern."
Auch bei einem anderen Vizepremier eher Schulterzucken angesichts der Leroy-Entscheidung. Didier Reynders, ebenfalls auf dem Sprung von seinem aktuellen Ministeramt zu einem besser bezahlten Posten als EU-Kommissar, sagte: "Die Tendenz ist in den vergangenen Jahren sowohl auf regionaler als auch auf föderaler Ebene zu beobachten, dass man die Gehälter von Spitzenposten beschränken will. Das hat dann natürlich manchmal Konsequenzen bei den individuellen Entscheidungen der Kandidaten für den Posten eines CEO."
Doch in der Presse wurden am Freitag auch noch andere mögliche Gründe für den Abgang von Leroy genannt. Der Staat als Quasi-Eigentümer von Proximus habe sich zu oft in die Angelegenheiten des Unternehmens eingemischt. Und so etwas können CEO eben nicht so gut ab. Allen voran der ehemalige Telekommunikations-Minister De Croo war damit gemeint. Doch der sah am Freitag bei sich keine Schuld. Gegenüber der VRT sagte er: "Madame Leroy und ich haben öfters unterschiedliche Meinungen gehabt, weil ich wollte, dass der Markt gut funktioniert. Aber sie hat dann die Interessen von Proximus immer sehr gut verteidigt."
Dass die 54-jährige Leroy Proximus jetzt verlässt, ist für De Croo eher ein normaler Vorgang."Wenn jemand fünf Jahre lang CEO ist, was doch schon eine ziemlich lange Zeit ist, und wenn diese Person dann sagt: Ich habe andere Interessen, etwas anderes erscheint mir jetzt attraktiver - dann muss das nicht unbedingt ein Drama sein. Sie ist ein guter CEO, das stimmt. Aber es gibt auch noch andere gute Menschen in unserem Land", sagt der liberale Politiker.
Überraschend kam die Entscheidung von Leroy am Donnerstag auch für die Gewerkschaften bei Proximus. Und auf Applaus trifft die Neuigkeit bei ihnen nicht. Laurent Malengreau von der sozialistischen Gewerkschaft CGSP erinnert an die Umstrukturierung, die aktuell bei Proximus im Gange ist und durch die 1.900 Stellen wegfallen solle. Der Gewerkschafter macht sich Sorgen und sagt: "Der Umstrukturierungsplan ist von Madame Leroy entworfen worden. Sie kommt mit ihrem Plan, sie setzt ihn durch, und während der Plan noch umgesetzt wird, verlässt sie das Unternehmen. Das ist ein bisschen brutal. Wird der neue CEO die gleiche Vision haben wie sie?"
Stéphane Daussaint von der christlichen Gewerkschaft CSC bringt im Zusammenhang mit der Umstrukturierung noch einen anderen Aspekt ins Spiel. Kritisch fragt er: "Kann man weiter die neue Struktur von Proximus gestalten mit einer Person, die zu einem Konkurrenten wechselt? Kann Madame Leroy noch bis zu Dezember an der Spitze von Proximus bleiben? Auch das ist eine große Frage."
Kay Wagner