Hupende Autos und Motorgeräusche sind kaum wegzudenken aus der Hauptstadt. Doch genau das möchte die künftige Regierung Brüssels auf ein Minimum senken. Und zwar indem sie die Region in eine große Zone 30 umwandelt - mit Ausnahme einiger großer Straßenachsen.
Die Reaktionen auf die angekündigte Maßnahme sind gemischt. Was für die 30er-Zone spricht, ist die Verkehrssicherheit. Ein Thema, das in Brüssel immer wieder Schlagzeilen macht. Erst letztes Wochenende wurde ein Fußgänger tödlich verletzt. Knapp 4.000 Unfälle gab es 2018 in Brüssel, dabei wurden mehr als 150 Personen schwer verletzt, 21 Menschen verloren ihr Leben.
Eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 Stundenkilometer würde die Wahrscheinlichkeit von Unfällen senken. Das belege eine Vielzahl von Studien, sagt Inge Paemen, Pressesprecherin von "Brüssel Mobilität". Außerdem würden Unfälle bei 30 Stundenkilometern weniger schlimm ausfallen, so Paemen.
Stadt lebenswerter machen
Damit das Konzept aufgehe, sei es aber notwendig, auch entsprechende Kontrollen durchzuführen. Ansonsten würde das Tempolimit 30 seinen Wert verlieren. Autofahrer könnten wie gehabt weiter rasen. Und in der Nähe von Schulen würden Fahrer möglicherweise sogar weniger Acht geben, wenn Tempo 30 sowieso überall gilt, so die Bedenken von L'Avenir. Deswegen sei es umso wichtiger, Autofahrer bei Nicht-Einhaltung des Tempolimits zu bestrafen, erklärt Paemen von "Brüssel Mobilität".
Das Tempolimit soll vor allem für Gemeindewege gelten. Zweck sei es nicht, eine Zone 30 am Brüsseler Ring einzuführen, so Inge Paemen. Hauptziel der Maßnahme sei es, die Stadt lebenswerter zu machen.
Alternativen
Ein positiver Nebeneffekt wäre natürlich, wenn Autofahrer öfter auf ihren Wagen verzichten. Das geht natürlich nur, wenn es genügend Alternativen zum Auto gibt. Das sei in Brüssel immer mehr der Fall, sagt Jeroen Roppe von der Brüsseler Tourismusagentur "Visit Brussels". Egal ob U-Bahn, Straßenbahn oder Bus - das Netzwerk des Nahverkehrs sei gut ausgebaut.
Die Anzahl Radfahrer habe sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt, sagt Roppe. Brüssel werde immer mehr zu einer Fahrradstadt, auch wenn noch an der Infrastruktur gearbeitet werden müsse.
Inge Paemen betont aber, dass es das eine richtige Verkehrsmittel für die Stadt nicht gebe. Jedes Angebot habe seine Vorteile. Entscheidend sei, wohin es gehe, zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Zweck. Auch das Auto sei da manchmal vonnöten.
Mikromobiliät
Langfristiges Ziel sei es also nicht, das Auto zu verbannen, sondern vielmehr die Nutzung von Autos zu reduzieren. Deswegen wolle die neue Regierung vermehrt in sanfte Mobilität investieren - sprich: in den öffentlichen Nahverkehr, aber auch in Mikromobiliät.
Mikromobilität - so nennt man in Brüssel das Angebot elektrischer Fahrzeuge. Dazu gehören auch die elektrischen Tretroller, die sich momentan großer Beliebtheit erfreuen. Zwar seien die E-Roller ein bleibendes Phänomen, glaubt Paenem, aber keine Alternative zum Auto, denn laut Studie nutzen vor allem Fußgänger das Angebot.
Eine gute Lösung für diejenigen, die normalerweise mit dem Auto nach Brüssel fahren, sei es, den Wagen am Stadtrand zu parken und dann mit Bus oder Bahn weiterzufahren, so die Empfehlung von Brüssel Mobilität. In den kommenden Jahren soll dieses "Park&Ride"-System weiter ausgebaut werden.
Raffaela Schaus