"Der Riese" ist wohl der Verbrecher, der in den letzten Jahrzehnten für die meisten Spekulationen gesorgt hat. Schon viele Kriminelle, sofern sie über 1,80 Meter groß waren, sind verdächtigt oder beschuldigt worden, besagter Riese gewesen zu sein, angefangen bei Patrick Haemers, der in den 80er Jahren eine Zeitlang den Titel "Staatsfeind Nummer eins" trug. Vor knapp zwei Jahren hieß es dann, ein ehemaliger Gendarm habe auf dem Sterbebett gestanden, der Mann gewesen zu sein, dessen Phantombild auf dem berühmten gelben Fahndungsplakat die Nummer 19 trägt.
Ein Phantom ist der Riese immer noch. Keine der vielen Thesen konnte die Ermittler bislang auf seine Spur bringen. Auch nicht das angebliche Geständnis des ehemaligen Polizisten.
Anscheinend gibt es aber jetzt eine neue These: "Der Riese der Killerbande sitzt in einer Zelle im Ausland", schreibt am Freitag jedenfalls Het Nieuwsblad auf Seite eins. Die Meldung steht auch in Gazet van Antwerpen.
Die These stammt von einem ehemaligen hohen Föderalbeamten, der sich anscheinend während seiner gesamten Karriere mit Terrorismus-Akten beschäftigt hat. Bei diesem Mann liefen offensichtlich jahrzehntelang viele Fäden zusammen. Und er hat da mit der Zeit auch rote Fäden zu sehen geglaubt, Auffälligkeiten, denen er dann systematisch nachgegangen sei, wie beide Blätter schreiben. Und diese Recherchearbeit habe es ihm dann nach und nach erlaubt, einigen Verdächtigen Namen zuzuordnen.
Das gilt eben für den Riesen. Nach den Erkenntnissen des besagten Beamten soll der Mann heute 57 Jahre alt sein; hieße also: Bei der letzten Attacke der Killerbande von Brabant in Aalst, am 9. November 1985, wäre er 23 gewesen. Das kann also prinzipiell passen. Zudem soll er ausländischer Herkunft sein, wobei er von 1978 bis 2003 in Belgien gewohnt habe. Der Mann sitze im Moment eine Gefängnisstrafe im Ausland ab: Wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und versuchten Waffenschmuggels sei er zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden.
Da gebe es nur ein Problem: Der Mann hat die Strafe so gut wie abgesessen. Im nächsten Jahr könnte er auf freien Fuß gesetzt werden. "Das sollten alle zuständigen Stellen genau im Auge behalten", mahnt ein Opferanwalt in Het Nieuwsblad.
Anscheinend hat der Hobby-Sherlock-Holmes aus dem Ministerium aber auch noch andere Schlussfolgerungen aus der Durchsicht der Akten gezogen. Demnach glaubt er auch zu wissen, wer der "Killer" war. Die Killerbande von Brabant soll ja aus drei Haupttätern bestanden haben: Neben dem Riesen sind das der "Alte" und der "Killer". Dieser "Killer" soll bei der letzten Attacke der Bande in Aalst von einer Polizeikugel tödlich getroffen worden sein. Es gibt jedenfalls Aussagen, die in diese Richtung weisen. Und oft wird gemutmaßt, dass das wohl der Grund war, weswegen die Überfälle der Bande danach plötzlich aufgehört hatten.
Seit besagtem 9. November 1985 hat sich die Killerbande von Brabant jedenfalls nicht mehr manifestiert. Um diese These zu überprüfen, haben Ermittler vor einigen Jahren sogar nach den sterblichen Überresten eines Mitglieds der "Killer" gesucht. Grabungen gab es im Bois de la Houssière, einem kleinen Wald nicht weit vom Kanal Brüssel-Charleroi, der, wie man heute weiß, der Rückzugsort der Bande war.
"Nur haben die Ermittler wohl nicht an der richtigen Stelle gegraben", glaubt der Beamte. Demnach soll der Killer einige Kilometer vom Bois de la Houssière entfernt begraben liegen, und zwar in Braine-le-Comte; genauer noch: im Garten des Elternhauses von einem anderen Mitglied der Killerbande. Und dort liege er immer noch.
All das hat der Beamte jedenfalls zu Papier gebracht und der Justiz übermittelt. Das war schon vor zwei Jahren. "Doch hat man den Eindruck, als habe sich die Föderale Staatsanwaltschaft noch nicht wirklich damit beschäftigt", beklagt ein Opferanwalt in Het Nieuwsblad. Das seien doch alles in allem sehr schlüssige Thesen, die es bestimmt verdienten, genauer unter die Lupe genommen zu werden. Das forderten jedenfalls auch seine Mandanten, also Opfer und Angehörige. Und einige Angaben des Beamten seien schließlich auch recht schnell und einfach zu überprüfen.
"Das sei doch schon im Gange", versichert aber ein Sprecher der Föderalen Staatsanwaltschaft. Zwei Magistrate seien mit der Spur betraut worden. Die Untersuchungen seien noch nicht abgeschlossen. Erste Ergebnisse wiesen aber darauf hin, dass es sich nicht um eine vielversprechende Spur handele. Wieder eine falsche Spur, also? Es wäre nicht die erste, aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.
Roger Pint
Claude Nitelet ist doch ein Zeuge der die Bande entlarven könnte .