Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass die ehemalige MR-Senatspräsidentin und derzeitige Erste Schöffin in Lüttich, Christine Defraigne, mit einer unangenehmen Haltung an die Öffentlichkeit tritt.
Als es in der vergangenen Legislaturperiode zum Beispiel um den Vorschlag ging, sogenannte "Hausbetretungen" durch die Polizei bei Menschen gesetzlich zu erlauben, die womöglich Flüchtlinge bei sich aufgenommen hatten, da stellte sich Defraigne vehement gegen diesen Gesetzesvorschlag. Der war vom damaligen Regierungspartner, der N-VA, eingebracht worden. Viele in Defraignes MR stellten sich hinter das Gesetz, das letztlich aber doch nicht verabschiedet wurde.
Zu dieser und anderer Episoden sagt Defraigne am Montag: "Man sollte nicht leugnen, dass wir in der vergangenen Legislatur schwierige Momente durchlebt haben. Da haben wir manchmal gezögert, herumgeeiert und haben uns hin- und herreißen lassen zwischen verschiedenen Linien."
Anders könnte man auch sagen: Die MR hat sich durch rechte Standpunkte verführen lassen, die vor allem aus den Reihen der N-VA geäußert wurden. Konkret steht da die N-VA-Reizfigur Theo Francken als ehemaliger Staatssekretär für Asylpolitik im Zentrum. Defraigne bestätigt das, ohne den Namen von Francken zu erwähnen: "Man muss einfach anerkennen, dass es eine gewisse Faszination gibt bezüglich der Äußerungen und Standpunkte eines gewissen Staatssekretärs. Für mich sind sie allerdings nicht zu vereinbaren mit den liberalen Werten", so Christine Defraigne.
Unterstützung von MR-Urgestein Hervé Hasquin
Defraigne steht bei dieser Analyse nicht allein. Auch das MR-Urgestein, der heute 76-jährige Hervé Hasquin, sagte der RTBF: "Was mich persönlich genauso wie viele andere so geschockt hat, ist die Tatsache, dass ein, zwei Persönlichkeiten der MR sich wie die wallonischen oder Brüsseler Francken aufgeführt haben. Ich glaube nicht, dass das die Humanisten dazu gebracht hat, weiter für die MR zu stimmen."
Diese Opposition zu Standpunkten der N-VA habe bei den Liberalen dazu geführt, dass es dort jetzt eine neue Strömung gebe, sagt Defraigne. Diese Strömung sieht sich in der Tradition des sogenannten sozialen Liberalismus, den ein gewisser Louis Michel, Vater des noch immer geschäftsführend arbeitenden Premierministers Charles Michel, Ende der 1990er Jahre vertreten hatte.
Diese Parteilinie sei verloren gegangen. Werde jetzt aber unter neuem Namen wieder aufgegriffen, sagt Defraigne und erklärt: "Innerhalb der liberalen Partei gibt es die, wie wir sie jetzt nennen, progressistischen Liberalen. Das ist ein modernerer, stärkerer Ausdruck als sozial. Und diese progressistischen Liberalen finden durchaus Übereinstimmungen mit den Sozialdemokraten und den Grünen."
Defraigne möchte, dass sich im besten Fall die ganze Partei zu diesen Werten der progressistischen Liberalen bekennt. Es zumindest aber eine längere Grundsatzdebatte darüber geben soll, wofür die Partei eigentlich steht: "Wir müssen wieder für der Liberalismus der Grundrechte und der wesentlichen Werte stehen", sagt Defraigne.
Zustimmung dafür erhält sie von Urgestein Hasquin. "Die jungen Intellektuellen sehen in uns, den Liberalen, eine Partei, die für Zurückweisung steht. Das ist eine Katastrophe für die Zukunft.", sagt Hasquin. "Wir müssen dieses Bild ändern, das man in den vergangenen Jahren zu oft von uns erhalten hat."
Defraigne für Koalition mit PS und Ecolo in der Wallonie
Die ehemalige Senatspräsidentin Christine Defraigne hat sich für eine Beteiligung der liberalen MR an der Regierung in der Wallonie ausgesprochen. Der RTBF sagte die aktuelle Lütticher Schöffin, mit den in der Provinzhauptstadt durchaus progressiv-offenen Partnern der PS habe man in der Koalition gute Erfahrungen gemacht. Das könne auch auf regionaler Ebene ein Weg sein. Eine Minderheitsregierung von Ecolo und PS führe ins Chaos.
Auf nationaler Ebene sprach sich Defraigne eindeutig gegen eine Regierungsbeteiligung der MR für den Fall aus, dass der Vlaams Belang einer zukünftigen Koalition angehöre. (rtbf/rs)
Kay Wagner
Die vermutlich beste Erneuerung der Partei ist es entweder den Weg des ekelhaft braunen Eisens zu gehen wie es die Parti Populair nach der krachenden Abwahl korrekt macht und eine neue Heimat vielleicht besser in Frankreich, Polen oder Dänemark zu suchen oder einfach zurück zu den liberalen Werten einer pluralistischen Gesellschaft was eine liberale Partei eben ausmacht im demokratischen Parteienspektrum ohne N-VA, FN oder VB.