"Ja! Wir werden eine Operation starten". Der geschäftsführende Außenminister Didier Reynders bestätigte zunächst mal grundsätzlich kurdische Presseberichte, wonach Belgien jetzt tatsächlich damit beginnen will, belgische Kinder aus den syrischen Gefangenenlagern nach Belgien zurückzuholen.
Genau gesagt kam die Info von der North Press Agency, einer örtlichen Presseagentur, die Verbindungen hat zu den kurdisch-syrischen Streitkräften. Die hatte am Mittwoch berichtet, dass die kurdischen Verantwortlichen eine belgische Delegation empfangen hätten. Und im Mittelpunkt habe dabei die Evakuierung belgischer Kinder aus den syrischen Gefangenenlagern gestanden.
Danach wurde der amtierende Außenminister etwas konkreter: "Wir haben jetzt die grundsätzliche Erlaubnis der kurdischen Verantwortlichen, die Kinder nach Belgien zu überführen", sagte Didier Reynders in der RTBF. Andere Länder hätten das schließlich auch schon getan. Erst müssten also die Kinder identifiziert werden. Und dann müsse die eigentliche Evakuierungsoperation geplant werden. Er hoffe jedenfalls, dass das in den nächsten Tagen oder Wochen über die Bühne gehen kann.
Konkret geht es hier um die Kinder von Syrienkämpfern, die über die belgische Staatsangehörigkeit verfügen. Viele Dschihadisten waren von Belgien aus in den Krieg gezogen und hatten ihre Familien mitgenommen. Einige Kinder sind auch vor Ort zur Welt gekommen. Inzwischen ist der sogenannte Islamische Staat militärisch geschlagen, das selbsternannte Kalifat ist Geschichte. Wer nicht im Kampf gefallen ist bzw. bei Bombardierungen getötet wurde, der lebt in den drei großen Lagern, die sich auf syrischem Boden befinden und die von kurdischen Milizen verwaltet werden. Eben diese Kurden haben die Herkunftsländer dieser Dschihadisten bzw. von deren Familienangehörigen schon mehrmals aufgerufen, ihre Staatsbürger zurückzunehmen.
Aus Belgien sind bekanntermaßen vergleichsweise viele Menschen nach Syrien bzw. in den Irak gereist, um sich dort der Organisation IS anzuschließen. Im Moment sollen noch insgesamt 110 Belgier in Syrien vermutet. Eine mögliche Rückkehr dieser Menschen hatten die belgischen Behörden bislang kategorisch ausgeschlossen.
Mit einer Einschränkung: Anfang letzten Jahres hatte die Regierung im Grundsatz entschieden, dass Kinder unter zehn Jahren doch nach Belgien zurückkehren könnten. Im Februar 2018 war das. Damals war die N-VA also noch vollwertiger Teil der Regierung. Und doch distanzierte sich der frühere Asylstaatssekretär Theo Francken jetzt von dem damaligen Beschluss und übte scharfe Kritik an der Entscheidung der geschäftsführenden Regierung, den Beschluss von damals jetzt umzusetzen. Die Mütter dieser Kinder könnten ihre Kinder doch immer begleiten, sagte Francken in der VRT. Notfalls könnten sie dieses Recht vor Gericht einklagen. Und wenn das so ist, also wenn die Mütter der Kinder ebenfalls nach Belgien überführt werden, dann sei die Position seiner Partei ganz klar: "Nein! Wir wollen diese Leute nicht hier".
"Mooooment", reagierte aber der amtierende OpenVLD-Vizepremier Alexander De Croo. Von "Müttern" könne hier gar keine Rede sein. "Wir sprechen hier einzig und allein von Waisenkindern, die also keine Eltern mehr haben und die in den Lagern in Syrien unter erbärmlichen Bedingungen leben müssen. Diese Kinder können aber schwerlich für die - falschen und unverzeihlichen - Entscheidungen ihrer Eltern verantwortlich gemacht werden."
Ganz konkret: Laut De Croo geht es hier um sechs Kinder. Vollwaisen eben. Belgien folgt damit dem Beispiel einiger Nachbarländer: Frankreich und die Niederlande haben auch unlängst Waisenkinder zurückgeholt.
Die Kinder sollen nach ihrer Rückkehr nach Belgien besonders betreut werden. Sechs Kinder... Nach neuesten Erhebungen von Child Focus befinden sich in Syrien aber im Moment noch insgesamt 36 Minderjährige, die über einen belgischen Pass verfügen. Was mit den dann also noch 30 verbleibenden Kindern passieren soll, bleibt offen.
Wie die meisten anderen europäischen Länder will auch Belgien in jedem Fall vermeiden, dass Erwachsene hierhin zurückkommen. Allgemein wird für die Schaffung eines internationalen Gerichtshofes plädiert, der die ausländischen Kämpfer und IS-Sympathisanten aburteilen sollte. Irgendwann muss da eine Entscheidung fallen. Denn die USA und die Kurden drohen damit, die Gefangenen in Ermangelung einer Lösung am Ende womöglich sogar freizulassen.
Roger Pint