In der VRT war eine Diskussionsrunde über die Migrationspolitik streckenweise unhörbar. Ein paar Stunden zuvor war auch schon eine Debatte zwischen der Groen-Vorsitzenden Meyrem Almaci und dem N-VA-Chef Bart De Wever momentweise ausgeartet. De Wever hatte zuvor das inzwischen altbekannte Lied gesungen, mit dem Refrain: "Die Grünen wollen das Land mit einem Steuer-Tsunami überziehen".
"Ihre Pläne kosten ein Vermögen", wendet sich De Wever an Almaci. "Hören Sie doch auf, den Menschen Angst zu machen", giftet die Groen-Chefin. "Das sind alles Fakten", erwidert De Wever. Nur: Genau das sehen die Grünen anders. Sie sehen sich als das Opfer einer regelrechten Verleumdungskampagne, etwa, wenn die rechte Seite ihnen vorwirft, sie wollten sogar den Weinkeller mit einer Steuer belegen.
"Ich habe die Nase gestrichen voll", sagt der Groen-Spitzenpolitiker Kristof Calvo scheinbar angeschlagen in eine VRT-Kamera. "Das ist Rufmord, und zudem auf den Mann gespielt", so Calvo. Groen wolle nur seine Ideen und Ideale vertreten. Das hier sei aber kein Wahlkampf mehr.
"Nur zu jammern, dass man es satt hat, das ist vielleicht nicht das stärkste Argument", frotzelte am Dienstag aber sogar die doch linksgerichtete Zeitung De Morgen.
Apropos links: Am Dienstag waren - vor allem in der Wallonie - die Roten auf den Straßen. Die sozialistische Gewerkschaft FGTB hatte einen Aktionstag aufgerufen. Im Grunde ging es der FGTB darum, ihre zentralen Forderungen für die nächste Legislaturperiode noch einmal in Erinnerung zu rufen, allen voran eine Erhöhung der Mindestlöhne. Die FGTB hat ihre Forderungen auch beziffert: vier Milliarden Euro würde das kosten. "Wo wir das Geld auftreiben wollen? Indem wir die Steuerhinterziehung bekämpfen", sagte kämpferisch FGTB-Chef Robert Vertenueil. "Da sind bis zu 34 Milliarden Euro zu holen. Außerdem werden Börsenmehrwerte hierzulande nicht besteuert. Also: Wo ein politischer Wille, da ein Weg."
Der rote Aktionstag hatte zur Folge, dass vielerorts der öffentliche Nahverkehr stark beeinträchtigt wurde. 80 Prozent der TEC-Busse blieben in den Depots. "Mir reicht es jetzt", wetterte der scheidende MR-Regionalminister Pierre-Yves Jeholet. Die FGTB demonstriere mal wieder für egal was. Das sei doch eine klar politische Aktion.
Und auch die Arbeitgeber reagierten mit Ablehnung auf den Aktionstag der FGTB. Die Leute, die vergeblich auf einen Bus warteten, konnten am Morgen in der Zeitung La Libre Belgique ein Interview mit dem PS-Vorsitzenden Elio Di Rupo lesen. Der bekräftigte im Wesentlichen seine Versprechen, die Kaufkraft der Bürger erhöhen zu wollen. Auf ihrer Titelseite hatte die Zeitung aber eine andere Aussage abgedruckt: "Die PS will alles tun, um die Legalisierung von Cannabis ins Regierungsabkommen zu schreiben", sagt Di Rupo.
"Nicht mit uns", reagierte am Morgen in der VRT der ehemalige N-VA-Innenminister Jan Jambon. Di Rupo brauche vielleicht Cannabis, um seinen Haushalt auf die Reihe zu kriegen. Der amtierende Innenminister, der CD&V-Politiker Pieter De Crem, wurde noch deutlicher: "Ich hoffe für den ehemaligen Premierminister, dass er nicht bekifft war, als er das der Zeitung in den Block diktiert hat". Das dürfte wohl auch "Nein" bedeuten.
Ein ebenso klares "Nein" dürfte De Crem aber von den Frankophonen kassieren, wenn er ihnen gegenüber seine wichtigste Forderung noch einmal wiederholt: "Wir fordern eine Zusammenlegung der sechs Brüsseler Polizeizonen", sagte De Crem. Und seine Partei mache das zu einem Knackpunkt.
Der N-VA-Vorgänger Jambon setzt dann noch einen drauf: Dann müsste man auch die 19 Brüsseler Gemeinden fusionieren. Beide Forderungen sind auf frankophoner Seite wohl, schwer bis gar nicht zu verkaufen. Das Fazit könnte lauten: Ein konstruktiver Wahlkampf sähe wohl anders aus.
Roger Pint