Ein Video aus dem März letzten Jahres zeigt einen Angriff im Jemen: Schiitische Huthi-Rebellen attackieren einen Kontrollposten der saudischen Armee. Danach zeigen sie stolz ihre Beute in die Kameras: Unter anderem F2000-Sturmgewehre, aus der Produktion der wallonischen Waffenschmiede FN in Herstal.
Und das ist nur ein Film, den ein Kollektiv von belgischen Investigativ-Journalisten ausfindig gemacht hat. Die Medienhäuser Le Soir, Knack und VRT haben sich zusammengetan und gemeinsam auf die Suche nach belgischen Waffen im Jemen gemacht. Unterstützt wurden sie dabei von Kollegen internationaler Medien, unter anderem vom unabhängigen Recherchenetzwerk Bellingcat.
Hauptquelle sind frei zugängliche Videos im Internet. Die Journalisten sind spezialisiert darauf, diese Filme auf ihre Echtheit zu prüfen, den Ort des Geschehens zuzuordnen und die Bilder auszuwerten. Name dieser Recherche-Operation: #BelgianArms - belgische Waffen. Für Experten besteht kein Zweifel: Mehrmals sind auf Bildern aus dem Bürgerkrieg im Jemen eindeutig Waffen von FN zu erkennen - unter anderem.
Aber bleiben wir zunächst bei FN. Die Waffenschmiede aus Herstal hat jahrelang Waffen nach Saudi-Arabien geliefert. Belgien sei gewissermaßen Hoflieferant, schreibt leicht zynisch Le Soir. Erst der brutale Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi sorgte in Namür für ein Umdenken. Im Oktober beschloss die wallonische Regierung einen Exportstopp. Nur: Die in der Vergangenheit erteilten Exportlizenzen waren teilweise noch gültig. Nach Informationen von Le Soir wurde noch im Januar Munition von FN verschifft. Ziel: Saudi-Arabien.
Natürlich war vielen Saudi-Arabien auch schon vor dem Mord an Khashoggi nicht geheuer. Immer wieder musste die wallonische Regierung zu den Waffengeschäften Stellung beziehen. Ende 2017 erklärte der damals noch recht neue Ministerpräsident Willy Borsus, dass die Waffen für die saudische Nationalgarde bestimmt seien. Und diese Truppe werde nicht bei Militäroperationen außerhalb der Landesgrenzen eingesetzt.
Ein Video beweist das Gegenteil: Der Film zeigt einen Sprecher der Nationalgarde, in Uniform, der ausdrücklich "live" aus dem Jemen einen Lagebericht gibt. Spätestens das mag also erklären, wie die Sturmgewehre F2000 von FN in den Jemen kommen.
Das Land am Persischen Golf wird sei Jahren von einem blutigen Bürgerkrieg erschüttert. In den letzten Jahren hat sich der Konflikt zu einem Stellvertreterkrieg entwickelt: Der Iran unterstützt die aufständischen Huthi-Rebellen, die Schiiten sind. Saudi-Arabien kämpft an der Seite der Truppen des entmachteten sunnitischen Präsidenten. Beiden Lagern werde schwere Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt.
Die FN-Sturmgewehre sind aber nicht das einzige Made in Belgium, das die Experten identifizieren konnten. Andere Filme zeigen Geschütztürme der Lütticher Firma CMI Defence. Zwischen 2011 und 2014 wurden 84 dieser Geschütztürme an Saudi-Arabien geliefert, die dort auf gepanzerte Fahrzeuge von Typ Piranha montiert worden sind. Die wallonischen Geschütztürme sind für die Experten eindeutig zu identifizieren. Von der wallonischen Regierung wollte noch niemand auf die Vorwürfe reagieren.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International fühlt sich ihrerseits in ihrer langjährigen Kritik bestätigt. "Wir haben doch immer vor Waffenexporten nach Saudi-Arabien gewarnt", sagte Philippe Hensmans, Chef von Amnesty Belgien in der RTBF. Man habe seinerzeit mit Mitgliedern des Begleitausschusses gesprochen, der die wallonische Regierung und den damaligen PS-Ministerpräsidenten Paul Magnette in dieser Sache beraten hatte. Und diese Agentur, diese WBI, habe damals beteuert, dass die Exporte unbedenklich seien, weil sie eben an die Nationalgarde gingen.
Die Regierung und insbesondere der Ministerpräsident seien seinerzeit also augenscheinlich falsch beraten worden. Und deswegen fordere man, dass ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss die Waffenexporte einmal durchleuchten solle, denn das System funktioniere doch offensichtlich nicht. Die frankophone Menschenrechtsliga und die Friedensplattform CNAPD reichen unterdessen Klage ein gegen verschiedene Waffenhersteller.
Die Journalisten sind übrigens auch auf flämische Produkte gestoßen. Hier ist der Zusammenhang aber längst nicht so offensichtlich. So befindet sich flämische Elektronik in den Eurofightern, die auch von der saudischen Luftwaffe eingesetzt werden. Das sorgt bei der linken Opposition in Flandern auch schon für Bauchschmerzen. Die Sozialisten forderten bereits eine bessere Regulierung auf Ebene der EU.
Roger Pint
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