Vor gut einer Woche fand die Mutter des vierjährigen Mädchens zu Hause nach der Schule Spuren von Blut in der Unterhose des Mädchens. Die Mutter ging sofort zur Schule zurück und forderte eine Erklärung. Dort nahm man die Sache ernst, rief die Krankenschwester der Einrichtung und schickte das Mädchen schließlich zu einer Untersuchung ins Krankenhaus.
Dort wurde tatsächlich eine Verletzung im Genitalbereich festgestellt, wie es vergangene Woche hieß. Das Krankenhaus schaltete die Polizei ein und diese die Staatsanwaltschaft. Die verhängte eine vorläufige Nachrichtensperre - auch zum Schutz des Mädchens.
Diese Nachrichtensperre nutzten bis zum vergangenen Dienstag zwei Lokalpolitiker, um nach eigenen Aussagen die Betroffenen von dem Fall zu unterstützen. Der PS-Politiker Cellou Satina Diallo forderte am Sonntag die Staatsanwaltschaft über soziale Medien dazu auf, schnellstmöglich Licht in diesen Fall von "sexuellem Missbrauch an einer Vierjährigen" zu bringen. Der türkischstämmige CDH-Abgeordnete Yusuf Yildiz wandte sich mit einem Film auf Facebook direkt an seine türkischsprachigen Landsleute. Man dürfe nicht zulassen, dass in dieser Angelegenheit etwas unter den Teppich gekehrt werde. So lässt sich die Botschaft von Yildiz zusammenfassen.
Sowohl Diallo als auch Yildiz distanzierten sich später von den Vorwürfen, zu Protesten aufgerufen zu haben. Doch da war es schon zu spät. Bereits am Montag versammelten sich rund 100 Demonstranten vor der Schule.
Doch es sollte bis Dienstag dauern, bevor Denis Goeman, Sprecher der Brüsseler Staatsanwaltschaft, das Ergebnis der Untersuchung bekanntgab:
"Der Grund für das Blut ist eine Infektion, die das Mädchen erlitten hat. Sie ist also nicht Opfer eines Missbrauchs geworden." Die Menschen vor der Schule wollten diese Erklärung allerdings nicht glauben. Mehr als 200 waren es am Dienstag, die anfingen zu randalieren. "Wie soll das gehen, dass eine Infektion zu Blut in der Unterhose führt?", fragte empört eine Frau. "Wenn das einem belgischen Kind passiert wäre, würde man anders reagieren", regte sich eine andere auf. "Alle Medien würden dann darüber berichten, man würde die Schule schließen. Warum schließt man die Schule nicht? Das ist nicht gut."
Die Polizei musste die tobende Masse beruhigen. Bei den Tumulten gingen Fensterscheiben zu Bruch, flogen Steine gegen die Schule, setzte die Polizei schließlich Tränengas ein. Der Bürgermeister von Schaerbeek, Bernard Clerfayt von Défi, beschloss, die Schule bis Ende der Woche zu schließen. Am Feiertag, dem 1. Mai, erhob er dann schwere Vorwürfe gegen die beiden Lokalpolitiker. Sie hätten die Stimmung unnötig aufgeheizt, er wolle gegen sie klagen. Am Donnerstag verurteilten auch die Leitartikler der Zeitungen sowohl die Gewalt vor der Schule als auch die vorschnelle Einmischung der Politiker in die Sache.
Entspannung
Am Freitag nun deuten alle Signale auf Entspannung. Denn Stéphane Jans, Anwalt der Eltern des vierjährigen Mädchens, gab an, dass die Eltern die Version der Staatsanwaltschaft akzeptiert hätten. Wörtlich sagte er: "Die Eltern haben gestern das erste Mal konkrete Informationen darüber erhalten, an welcher Krankheit ihr Kind eigentlich leidet. Sie haben jetzt die Gewissheit, dass ihre Tochter kein Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden ist. Das ist eindeutig." Die Krankheit, an der das Mädchen im Genitalbereich leidet, sei äußerst selten, fügte Jans hinzu. Deshalb habe es auch einige Tage gedauert, bevor man mit Gewissheit hätte sagen können, warum das Blut in der Unterhose auftreten konnte.
"Die Eltern wünschen sich jetzt, dass wieder Ruhe einkehrt an der Schule und alles wieder normal wird. Sie bedauern die Ausschreitungen und die Schäden an der Schule, die am Dienstag entstanden sind. Auch wenn sie persönlich dafür nicht verantwortlich sind", sagte der Anwalt weiter.
Kay Wagner