Vor drei Jahren wurde bei Léopold Balhan Brustkrebst festgestellt. Der heute 65-jährige Mann ließ sich behandeln. Die am häufigsten angewendete Behandlungsmethode kam bei Balhan wegen einer kurz zuvor aufgetretenen Thrombose nicht in Frage. Der behandelnde Arzt griff zu einer Alternative – und damit fingen die Probleme an.
Denn als es um die Rückerstattung der Medikamente ging, weigerte sich die Krankenkasse, diese Kosten zu übernehmen. Für Balhan ein Schock.
"Wofür zahle ich eigentlich noch Beiträge bei meiner Krankenkasse? Wenn die mir nichts zurückerstattet?", empört er sich noch heute. Und kann sich ebenfalls noch gut daran erinnern, wie er sich damals fühlte: "Ich wusste nicht mehr, wer ich war", sagt er. "Warum ich noch da war. Ich war gerade operiert worden, musste meine Narbe pflegen, musste Medikamente nehmen. Da fühlt man sich plötzlich allein. Allein gegen alle."
Der Grund für die Weigerung der Krankenkasse waren im Fall Balhan die beiden eingesetzten Medikamente. Die sind eigentlich für Frauen bestimmt, die in den Wechseljahren sind. Darauf berief sich die Krankenkasse und leitete, nachdem Balhan sich beschwert hatte, den Fall weiter an die INAMI, das nationale Gesundheitsinstitut. Aber auch dort kam man zum Schluss: Eine Rückerstattung für den männlichen Patienten kann es nicht geben.
"Er hat das natürlich als ungerecht empfunden", sagt Pauline Loeckx, Anwältin beim Institut für Gleicheit zwischen Frauen und Männern. "Er brauchte die Kostenrückerstattung für seine Behandlung. Deshalb hat er sich an unser Institut gewandt, und wir haben ihn dann dabei unterstützt, damit er zu seinem Recht gelangt."
Balhan und das Institut klagten vor Gericht – und bekamen tatsächlich Recht. Die Krankenkasse wurde dazu verurteilt, Balhan die Kosten für die beiden Medikamente zurückzuerstatten.
Begründung: Hier liege eine Diskriminierung vor aufgrund des Geschlechts. Die zu vermeiden sei aber wichtiger als die Festlegung, dass die Kosten für die betroffenen Medikamente eigentlich nur bei Frauen in den Wechseljahren zurückerstattet werden.
Für Jacques De Grève, den Präsidenten der Belgischen Gesellschaft für Krebsbehandlung, ist das Urteil vollkommen richtig. Denn – so sagt er: "Hier liegt eine Diskriminierung vor, die nicht durch die Art des Tumors begründet ist, sondern durch das Geschlecht des Patienten. Und das ist unzulässig."
Der Fall von Balhan ist kein Einzelfall. Immer wieder kommt es wohl vor, dass Männer bei der Rückerstattung von Therapiekosten im Fall von Brustkrebs Schwierigkeiten haben. Dort, wo es für Frauen kein Problem ist.
Nach Ansicht von André Pauwels liegt das auch daran, dass zu wenig bekannt ist, dass es Brustkrebs auch bei Männern überhaupt geben kann. Pauwels wurde selbst von Brustkrebs geheilt. Aufgrund seiner Erfahrung hat er eine Selbsthilfegruppe für Männer gegründet. Er sieht Männer grundsätzlich beim Thema Brustkrebs benachteiligt gegenüber Frauen. Er sagt: "Die breite Öffentlichkeit ist nicht gut darüber informiert, dass Brustkrebs auch bei Männern vorkommen kann. Bei Männern wird Brustkrebs viel später festgestellt. Ihr Risiko ist also viel höher als für Frauen, weil der Tumor sehr oft schon viel weiterentwickelt ist, bevor die Behandlung beginnt."
Laut Statistik kommt auf 100 Frauen, die an Brustkrebs erkranken, nur ein Mann mit der gleichen Krankheit. Männer sind hier also tatsächlich deutlich in der Minderheit. Eine unterschiedliche Behandlung durch die Krankenkasse rechtfertigt das aber nicht. Das Urteil von Lüttich hat das jetzt – zumindest für Belgien – klargestellt.
Kay Wagner