Viele der Politiker, die am Donnerstag ihren Abschied aus der Kammer nahmen, haben längst das Alter erreicht, in dem normale Arbeitnehmer aus dem Berufsleben scheiden.
Für alle gilt dies allerdings nicht. Olivier Maingain, Parteivorsitzender von Défi und seit 27 Jahren Föderalabgeordneter, ist "erst" 60 Jahre alt. Er tritt freiwillig kürzer. Der Abschied aus der Kammer bedeutet für ihn nicht das Ende seines politischen Lebens. Denn Bürgermeister der Brüsseler Stadtgemeinde Woluwe-Saint-Lambert will Maingain bleiben.
"Das ist ein sehr emotionaler Moment für mich, weil ich viel in dieses Leben als Abgeordneter investiert habe - mit viel Begeisterung, mit meiner eigenen Art, die einigen nicht gefallen hat. Aber ich glaube, dass ich aufrichtig gehandelt habe", sagte Maingain am Donnerstag.
Ebenfalls mit 61 Jahren eigentlich noch nicht reif für den Ruhestand ist das Ecolo-Urgestein Marcel Cheron. Wie auch Maingain war Cheron 1991 das erste Mal in die Kammer gewählt worden, saß danach nicht dauerhaft dort, aber war seitdem immer in irgendwelchen Volksvertretungen auf regionaler oder Gemeinschaftsebene vertreten.
Seinen Abschied aus der Kammer, der er seit 2014 wieder angehörte, wertet er als einen normalen und sogar demokratischen Schritt. Gegenüber der RTBF sagte er am Donnerstag: "Ich glaube, es ist jetzt einfach Zeit, anderen diesen Platz zu überlassen, weil eine Demokratie es auch nötig hat, dass es neue Gesichter gibt. Es ist gut, dass neue Erfahrungen hier eingebracht werden von jüngeren Menschen, und dass auch mehr Frauen ins Parlament kommen."
Ähnlich sind die Gründe für Laurette Onkelinx. Die sicher als schillernde PS-Persönlichkeit zu bezeichnende Ex-Ministerin ist zwar auch erst 60 Jahre alt, gab aber bereits vor zwei Jahren bekannt, dass sie 2019 aufhören werde mit der Politik. Eben auch, um Platz zu machen für neue, jüngere Gesichter. "Ich bedauere diesen Schritt nicht. Aber natürlich: Das heißt jetzt Abschied nehmen von mehr als 30 Jahren als Politikerin. Abschied nehmen von Kollegen, von Mitarbeitern. Man muss sich ein neues Leben gestalten. Das ist alles sehr emotional", sagte sie am Donnerstag.
Emotionen auch bei Herman Van Rompuy von der CD&V. Der um zwei Jahre jüngere Bruder des ehemaligen belgischen EU-Ratspräsidenten Eric Van Rompuy findet es allerdings - mit Blick auf sein Alter - ebenfalls normal, dass er jetzt Abschied aus der Kammer nimmt. "Ich bin ergriffen und auch ein wenig traurig, dass ich nach 36 Jahren als Abgeordneter jetzt aufhöre", sagte er. "Aber das gehört zum Leben dazu. Jeder muss mal aufhören. Ich bin jetzt 70 Jahre alt."
Und mit einer guten Prise Humor nahm es der 77-jährige Verfassungsrechtler Francis Delpérée von der CDH. Seinen Abschied aus der Kammer kommentierte er mit den Worten: "Ich benutze oft und gerne folgenden Spruch: Mit der Politik ist es wie mit 'Tim und Struppi': Sie sind gut für junge Menschen von sieben bis 77 Jahre. Ich habe dieses Alter erreicht. Jetzt sollen andere meinen Platz einnehmen."
Kay Wagner