Das Asylbewerberheim in Broechem, in der Nähe von Ranst in der Provinz Antwerpen. Montagabend, 22 Uhr: Ein kleiner Junge fährt mit seinem Rad über das Gelände. Das ist das letzte Mal, dass der neunjährige Palästinenser gesehen wurde. Seither war er verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Seine Mutter schlug noch am selben Abend Alarm.
Sofort wurde fieberhaft nach dem Kind gesucht. Noch in der Nacht wurde sein Fahrrad gefunden. Von dem Jungen fehlte aber immer noch jede Spur. Der Fall wird als besorgniserregend eingestuft. Deswegen wird die Sondereinheit für vermisste Personen eingeschaltet. Das ganze Gebiet um das Asylbewerberheim wird durchkämmt. Dabei kommt sogar ein Hubschrauber zum Einsatz.
Am Mittwochnachmittag dann machen die Beamten einen grausigen Fund. In einem Wasserlauf auf dem Gelände des Zentrums wird die Leiche des kleinen Jungen entdeckt.
Mordermittlung - Vier Haftbefehle
Noch am Mittwochabend hätten der Untersuchungsrichter, die Staatsanwaltschaft und ein Gerichtsmediziner den Tatort und die Leiche in Augenschein genommen, sagte Lieselotte Claessens, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Antwerpen, in der VRT. Und es gebe Anzeichen dafür, dass es sich um einen unnatürlichen Tod handele. Es werde denn auch jetzt ausdrücklich wegen Mordes ermittelt.
Nach dem Tod des Kindes sind Haftbefehle gegen vier Verdächtige erlassen worden. Das hat der Untersuchungsrichter in Antwerpen beschlossen. Sie werden der Entführung und des Mordes verdächtigt. Die Männer sind zwischen 19 und 24 Jahre alt. Ein fünfter Verdächtiger, der minderjährig ist, muss noch angehört werden. Alle fünf sind Palästinenser.
De Block: Schreckliches Drama
Das Ganze ist in jedem Fall ein schreckliches Drama, sagte die für Asyl und Migration zuständige Föderalministerin Maggie De Block. Ein Kind zu verlieren, für eine Mutter gibt es wohl nichts Schlimmeres.
Für die Mutter und die Tante des Kindes, die mit ihm zusammen in dem Zentrum leben, könne man jetzt noch hoffen, dass der Fall schnell aufgeklärt wird, sagt De Block, damit die Familie erfährt, was mit dem Jungen geschehen ist.
Verwaltet wird das Zentrum von Fedasil, also der zuständigen föderalen Behörde. Und auch dort reagiert man geschockt. "Ein furchtbares Drama", sagte Sprecherin Mieke Candaele in der VRT. Alle sind geschockt: die Familie des Jungen natürlich, aber auch die anderen Bewohner des Asylbewerberheims, nicht zu vergessen das Personal des Zentrums in Broechem.
"Auf so etwas sind wir eigentlich nicht vorbereitet", sagte auch Benoît Mansy von Fedasil in der RTBF. "Das ist das erste Mal, dass wir mit einem solchen Fall konfrontiert sind". In jedem Fall werde jetzt psychologischer Beistand zur Verfügung gestellt: für die Familie, für die anderen Bewohner, für die Personalmitglieder, für jeden, der es wünscht.
Presseberichten zufolge war die Stimmung in dem Asylbewerberheim in Broechem nicht besonders gut. Das Zentrum habe unter Asylbewerbern einen schlechten Ruf, schreibt die Zeitung Het Nieuwsblad. Und seit dem Drama herrsche nun erst recht eine gereizte Stimmung.
Sie wisse nichts von Spannungen in dem Zentrum, sagte Ministerin De Block in der RTBF. In jedem Asylbewerberheim komme es schonmal zu Zwischenfällen. Das liege quasi in der Natur der Sache. Viele Menschen stünden einfach unter Stress.
Alle Beteiligten wünschen sich jetzt, dass der Fall schnell aufgeklärt wird. Er hoffe, dass man die Justiz in Ruhe ihre Arbeit tun lasse, sagt stellvertretend Fedasil-Sprecher Benoît Mansy.
belga/est/km/rop