Mehrere Zeitungen berichten am Mittwoch über einen Brief, den Außenminister Didier Reynders dem Vorsitzenden des Finanzausschusses in der Kammer geschickt hat. Demnach handelt es sich wohl um einen Brief, der auf einen anderen Brief vom August 2012 verweist. Und dieser Brief hat es in sich.
Reynders, zu dieser Zeit schon seit gut acht Monaten Außenminister, hatte diesen Brief nämlich damals an seinen Amtskollegen in Libyen geschickt. Und in diesem Brief geht Reynders ganz ausdrücklich auf die libyschen Staatsgelder ein, die bei Banken in Belgien eingefroren lagern.
Reynders informiert seinen Amtskollegen darüber, dass die eingefrorenen Gelder durchaus aufgetaut werden könnten. Denn eine Regelung der EU mache es möglich, Teile dieser Gelder für die neue libysche Regierung freizugeben, wenn das Geld für humanitäre Zwecke benutzt wird.
Soweit, so gut - doch dann wird es spannend. Denn Reynders schreibt auch, dass es noch einige belgische Unternehmen gebe, die auf die Begleichung von Schulden aus Libyen warten. Also auf Geld, das sie in Libyen investiert haben, das sie jetzt aber nach dem Sturz des Gaddafi-Regimes nicht zurückbekommen hätten.
Reynders listet diese Unternehmen sogar auf. Das sind laut Zeitung "Le Soir" acht Unternehmen, darunter übrigens auch die Waffenfabrik FN Herstal. Diese Unternehmen hatten damals offene Rechnung von zwischen 160.000 Euro bis hin zu 22 Millionen Euro.
Und das Interessante dabei ist zunächst, dass hiermit klar ist: Reynders ist sehr wohl aktiv gewesen in dem Dossier der eingefrorenen libyschen Gelder. Eine Tatsache, die er bislang immer beharrlich bestritten hatte.
Liste fehlerhaft
Neben der gerade genannten Erkenntnis, dass Reynders also durchaus die Finger im Spiel bei den libyschen Geldern hatte, wirft der jetzt bekannt gewordene Brief viele neue Fragen auf. Zum Beispiel die: Reynders gibt in seiner Auflistung der belgischen Unternehmen mit Forderungen an Libyen an, dass die Firma CK Technologie aus Visé gut 3,6 Millionen Euro von Libyen zurückverlange. Doch bei der Firma selbst will man von solchen Forderungen nichts wissen. Da ist also ein Fehler in der Liste. Und die Frage ist jetzt: Wie kam der Fehler da hinein? Bewusst, unbewusst - wie konnte es dazu kommen?
Weiter interessant ist, dass Reynders die Frage der libyschen Gelder 2012 anspricht zu einer Zeit, in der er gar nicht mehr verantwortlich ist für die Finanzen. Nur bis Dezember 2011 war er Finanzminister und hatte 2012 als Außenminister eigentlich nichts mehr mit der ganzen Sache zu tun. Trotzdem wird er aktiv. Warum?
Ein Sprecher von Reynders sagt in den verschiedenen Zeitungen, die am Mittwoch über den Brief berichten, dass Reynders nur ein Anliegen der belgischen Botschaft in Libyen aufgegriffen habe, um sozusagen eine Sorge der Botschaft, nämlich die Bezahlung der belgischen Unternehmen, quasi auf allerhöchste politische Ebene zu hieven.
Trotzdem ist weiter auffällig, dass Reynders selbst immer wieder auf die Tatsache verwies, dass er nichts mit den libyschen Geldern zu tun gehabt habe, weil er ja ab Dezember 2011 Außenminister war. Diese Gelder aber eine Zuständigkeit des Finanzministeriums seien. Jetzt ist klar: So stimmt das nicht. Reynders war sehr wohl aktiv. Warum hat Reynders das bisher nicht gesagt?
Prinz Laurent sauer
Sauer über diese Enthüllung ist Prinz Laurent. Denn jetzt ist klar: Der belgische Staat hat sich sehr eindeutig dafür eingesetzt, dass belgische Unternehmen Geld aus Libyen zurückbekommen, was sie dort investiert hatten. Dem Prinzen aber mit seinem Aufforstungsprojekt, für das er immer noch 50 Millionen Euro vom libyschen Staat zurückverlangt und dafür auch sogar zweimal von Gerichten gesagt bekommen hat: Jawohl, das ist eine berechtigte Forderung, dem will der belgische Staat nicht helfen.
Ein Anwalt von Prinz Laurent wird am Mittwoch mit den Worten zitiert: "Wir alle sind über diese Neuigkeiten schockiert." Noch am 18. Januar hätte das Kabinett von Reynders ihm mitgeteilt, nichts von irgendwelchen Bemühungen seitens der Regierung zu wissen, dass man Geld von Libyen zurückgefordert habe. Augenscheinlich eine Falschaussage. Man sieht: Weiter ganz viele Ungereimtheiten und Fragen in diesem Dossier.
Am Mittwochnachmittag gab es neue Informationen aus dem Finanzausschuss der Kammer, der damit beauftragt ist, Anhörungen zu diesem Thema vorzunehmen. Demnach soll es am 15. März mit den Anhörungen weitergehen. Zunächst soll ein Anwalt von Prinz Laurent befragt werden. In der Folge sollen aber auch nochmal Reynders und auch Steven Vanackere angehört werden, sowie weitere aktuelle und ehemalige Minister sowie Finanzexperten und EU-Berater.
Kay Wagner