"Das ist schlimm! Sehr schlimm!" - die Stimme von Prinz Laurent. Die hört man auch nicht alle Tage. Der Bruder des Königs hat sich aber von VRT und RTBF zu einem Interview überreden lassen.
Dass er eingewilligt hat, das hat auch damit zu tun, dass der Prinz persönlich betroffen ist. Betroffen von einer Geschichte, in der es um viel Geld geht. Auch für den Prinzen oder genauer gesagt für eine Vereinigung, die er vor einigen Jahren gegründet hatte.
Grob zusammengefasst: Diese VoE hatte 2008 in Libyen mit einem Aufforstungsprojekt begonnen. Prinz Laurent hatte das mit dem Regime des damaligen Machthabers Muammar al-Gaddafi in die Wege geleitet. Das Problem: Der Vertrag wurde von der Regierung einseitig aufgelöst. Die Vereinigung blieb auf ihren Kosten sitzen.
Man klagte vor einem belgischen Gericht. Und bekam Recht: Der libysche Staat wurde zur Zahlung eines Schadensersatzes von 50 Millionen Euro verurteilt, die also an die Vereinigung gehen sollten. In der Zwischenzeit war Gaddafi aber gestürzt. Seit 2011 herrscht Chaos in dem nordafrikanischen Land.
Einen Staat gibt es in dem Sinne nicht mehr - also auch keinen Ansprechpartner. Laurents Vereinigung wartet also immer noch auf ihr Geld. Der Punkt ist: Die Vereinigung von Prinz Laurent war nicht allein in dieser misslichen Situation. Das galt etwa auch für die wallonische Waffenschmiede FN-Herstal. FN wurde aber entschädigt. Er habe angeordnet, dass die offenen Rechnungen bezahlt werden sollten, bestätigte Außenminister Didier Reynders lapidar in der Kammer.
"Aha?", muss sich der Prinz da gedacht haben. "Warum die und nicht ich?" Zumal sich die fraglichen Unternehmen - im Gegensatz zu ihm - noch nicht einmal auf ein Gerichtsurteil stützen konnten. Eine schreiende Ungerechtigkeit in den Augen des Prinzen. Zumal er auch schon zwei Anwälte damit beauftragt hatte, nach möglichen Lösungsansätzen zu suchen.
Es ist so: Nach dem Sturz von Gaddafi wurden überall in der Welt auf der Grundlage einer entsprechenden UN-Resolution libysche Vermögenswerte eingefroren. In Belgien sind 14 Milliarden Euro blockiert. "Diesen Topf könnte man doch anzapfen, um seine Vereinigung zu entschädigen", so die Idee des Prinzen und seiner Berater. "Geht nicht!", hieß es aber aus dem Finanzministerium. Eingefroren, das heiße eben eingefroren.
Nur: Genau das stimmt offensichtlich nicht. Prinz Laurent und seine Rechtsbeistände haben sich die Sache mal genauer angesehen, um festzustellen, dass da durchaus Gelder abfließen. Konkret: Diese 14 Milliarden Euro generieren natürlich Renditen, Zinsen oder dergleichen. Und eben diese Zinserträge sind offensichtlich abgeflossen.
Und es war anscheinend Laurent selbst, der die UN darüber informiert hat. Die Vereinten Nationen ließen diesen Sachverhalt prüfen. Und das hat dann dazu geführt, dass Belgien vor einigen Monaten heftigst gerüffelt wurde. Hier gehe es ja schließlich um die Missachtung von UN-Sanktionen.
Laut dem UN-Bericht sei es sogar so, dass man nicht ausschließen könne, dass dieses Geld in Waffen geflossen ist, in die Hände von terroristischen Gruppen, die vielleicht sogar unschuldige Menschen misshandelt haben. Das sei doch inakzeptabel, sagt Prinz Laurent. In den letzten Jahren sollen insgesamt bis zu zwei Milliarden an Zinserträgen abgeflossen sein. Wohin? Fragezeichen.
Frage ist jetzt natürlich: Wer hat angeordnet, dass die Gelder losgeeist werden sollen? Die Reportage von RTBF und VRT hat überall nachgefragt, bei allen früher oder jetzt zuständigen Ministern. Genannt werden vor allem Steven Vanackere und Didier Reynders, die beide für Finanzen bzw. auswärtige Angelegenheiten zuständig waren.
Die offizielle Version lautet aber: Das sei auf Beamtenebene innerhalb der EU beschlossen worden. Nur gibt es keinen entsprechenden schriftlichen Vermerk. Der Zeitschrift Le Vif/L'Express, die ebenfalls in dieser Geschichte recherchiert hat, sagte der frühere Chef des Finanzministeriums aber, dass eine solche Entscheidung nie ohne politischen Segen getroffen werde.
Prinz Laurent hatte das alles schon in einem aufsehenerregenden Brief zu Papier gebracht, der seit einigen Wochen auf dem Tisch des Premierministers liegt. Der hatte nur lapidar verlauten lassen, dass es keine Sonderbehandlung für Laurent geben werde. "Die will ich doch gar nicht!", erwidert jetzt Laurent.
Im Gegenteil: Er wolle nur, dass er so behandelt wird wie alle anderen. Ihm gehe es natürlich immer noch in erster Linie um seine Vereinigung. Er könne aber nur mit Bedauern feststellen, dass sich die Angelegenheit als deutlich größer und schlimmer herausgestellt habe.
Roger Pint