Alles beginnt mit einem Alarm. Der wurde ausgelöst im Tresorraum einer Bank in der Belgiëlei, einer Geschäftsstraße mitten im Zentrum von Antwerpen. Mitarbeiter eines privaten Wachdienstes sehen nach dem Rechten. Da gibt es nur ein Problem: Die stählerne Sicherheitstür zum Tresorraum ist fest verschlossen. Da ihnen das doch immer noch seltsam vorkommt, rufen die Sicherheitsleute Verstärkung: Um 13:30 rückt die Polizei an.
Was dann passiert, das schilderte Willem Migom, der Sprecher der Antwerpener Polizei, in der VRT: "Als sich die Polizisten Zugang zum Tresorraum verschafft hatten, entdeckten sie erst Einbruchsspuren und dann auch Hinweise auf einen Tunnel. Es stellte sich heraus, dass der Tunnel zum Kanalsystem führte."
Später zeigt sich: Die Täter haben sogar zwei Tunnel gegraben. Ausgangspunkt war der Keller eines Wohnhauses in der Nerviërstraat, das ist die Straße um die Ecke. Von diesem Keller aus gruben sich die Täter erst einen Weg zur Kanalisation. Einmal in dem Abwassersystem konnten sie dann bis vor das Bankgebäude gelangen. Und dort wurde dann ein zweiter Tunnel gebuddelt, der die Täter dann direkt in den Tresorraum führte.
Das ist filmreif, aber auch extrem gefährlich. "Nicht vergessen", sagte Els Liekens von der Abwassergesellschaft Aquafin in der VRT:, "in der Kanalisation können sich gefährliche Gase freisetzen. Zumal, wenn das Wasser aufgewühlt wird, was ja hier zweifelsohne passiert sein muss. Das kann schnell sogar tödlich enden."
Heißt wohl, sagt die Sprecherin: "Die Täter müssen über eine entsprechende Ausrüstung verfügt haben, um sich vor den gefährlichen Gasen zu schützen."
Mehr noch: Man muss ja erstmal graben, das muss Tage, vielleicht Wochen gedauert haben. Und für eine solche Arbeit kann man ja auch keine Nagelfeile benutzen. Die Polizei hat Profigerät entdeckt: unter anderem Bohrmaschinen und Presslufthammer.
Doch Ausrüstung hin oder her: "Das muss ein Knochenjob gewesen sein", sagt Els Liekens. Die Kanalisation in der Belgiëlei ist stellenweise nur 80 Zentimeter breit und 1,30 Meter hoch, die Täter müssen zum Teil auf dem Bauch gerobbt sein, um arbeiten zu können.
Nachfragen, wie es wirklich war, das kann man im Moment freilich noch nicht. Die Täter sind weg. Als die Polizei den Ausgangspunkt entdeckt hatte, also besagten Keller in der Nerviërstraat - übrigens 400 Meter entfernt -, da waren die Vögel natürlich längst ausgeflogen. "Wir nehmen jetzt das Haus erstmal gründlich unter die Lupe, um vielleicht Spuren zu finden, die uns weiterbringen", sagt Polizeisprecher Willem Migom.
Und wie ist die Lage im Tresorraum? "Naja", sagt der Sprecher, "man sieht schon deutliche Einbruchspuren. Einige Schließfächer wurden aufgebrochen." Ob die Täter Beute gemacht haben und was eventuell gestohlen wurde, darüber könne man noch keine Angaben machen.
Die Bank - es handelt sich übrigens um eine Filiale von BNP-Paribas-Fortis - wollte auch noch keine Angaben machen. Vielleicht wurden die Täter ja frühzeitig von dem ausgelösten Alarm im Tresorraum unterbrochen. Möglich ist aber auch, dass sie den "Raub des Jahrhunderts" durchgezogen haben, wie die Zeitung Het Laatste Nieuws vorsichtig suggeriert.
Ironie des Schicksals: Gerade erst vor drei Tagen ist im US-Bundesstaat Florida ein Bankräubertunnel vorzeitig entdeckt worden, also bevor ihn die Räuber nutzen konnten. Es war ein Schlagloch auf einer Straße, das die US-Bundespolizei FBI auf die Spur des Tunnels gebracht hatte. Angesichts des Zustands der belgischen Straßen wäre das hierzulande aber wohl auch nicht aufgefallen.
Roger Pint