Zwei Stunden saßen sie zusammen, der Premierminister und ein Handvoll Klimaaktivisten. Es sollte darum gehen, den Protest der Straße für eine ehrgeizigere Klimapolitik in konkrete Aktionen umzuwandeln. Das wurde - um es schon einmal vorweg zu nehmen - nicht erreicht. Dennoch zeigten sich die Aktivisten nach dem Gespräch eher zufrieden.
Nicolas Van Nuffel, Präsident der so genannten "Coalition climat", also der Klimakoalition, ein Zusammenschluss von gut 70 Vereinen, die zu den beiden großen Protestmärschen in Brüssel aufgerufen hatten, sagte nach dem Treffen: "Wir haben wirklich über Inhaltliches gesprochen. Das muss man zunächst positiv festhalten. Wir werden nicht in allen Punkten Übereinstimmung erreichen, besonders bei der Bilanz der Klimapolitik. Der Premierminister sieht da das Glas halb voll, wir sehen es eher halb leer."
"Wir haben den Premier als konstruktiv erlebt und gespürt, dass er bereit dazu ist, mehr zu tun", sagte Charlotte Scheerens von der Bürgerbewegung "Climate Express". Fügte aber auch hinzu: "Mit diesem Gespräch ist es natürlich nicht getan. Was wir wollen, sind konkrete Aktionen. Und wir sind neugierig, was ein breiterer Dialog darüber noch bringen wird."
Denn: Ja, das Klima wollen wohl beide Seiten retten. Doch die Vorstellungen, wie das konkret am besten geschehen kann, sind wohl nicht klar. Auf Erfahrungswerte kann man nicht zurückgreifen. Weshalb Michel jetzt zunächst ankündigte, einige Vorschläge aus den Gesprächen vom föderalen Planbüro prüfen zu lassen. Dort soll geschaut werden: Sind die Vorschläge überhaupt realisierbar? Was bringen sie? Wieviel wird das kosten?
Für Michel sind dabei zwei Sachen wichtig. Erstens: Dass mehr Anstrengungen für das Klima nur zusammen mit der Industrie und nicht gegen sie unternommen werden können. Wörtlich sagte Michel: "Es wird keine erfolgreiche Energiewende auf den Trümmern einer zugrunde gerichteten Wirtschaft geben. Das wird nicht passieren. Man muss die wirtschaftliche Entwicklung und Innovation verbinden mit Entscheidungen zugunsten des Klimas."
Und zweitens sollen mehr Maßnahmen zum Schutz des Klimas die sozial Schwachen nicht noch schwächer machen. "Wir müssen Acht geben", sagte Michel, "dass der Wille von 75.000 Menschen, die am Sonntag mit starken Überzeugungen durch die Straßen von Brüssel gezogen sind, nicht dazu führt, andere Menschen in Schwierigkeiten zu bringen. Nämlich die Menschen, die schon heute mit finanziellen und sozialen Schwierigkeiten zu kämpfen haben."
Dass also mehr gemacht werden muss, darüber scheint Einigkeit zu herrschen. Nur wann die nächsten Schritte gemacht werden und wie sie aussehen werden, blieb auch am Dienstag nach dem Treffen weiter offen.
Kay Wagner