Vor drei Wochen waren es noch 3.000, die Woche drauf dann schon 12.500 und am Donnerstag sind dann doch ziemlich beeindruckende 35.000 Schüler und Studenten auf die Straße gegangen, um für eine entschlossenere Klimaschutzpolitik zu protestieren. "Tendenz steigend", kann man angesichts dieser Zahlen nur sagen.
Der Protest hat jedenfalls schon solche Ausmaße angenommen, dass sogar ausländische Medien darüber berichtet haben, wie der Spiegel, die Washington Post oder die BBC. Und am Sonntag steht schon wieder eine neue Klima-Demo an: die Neuauflage des Marschs für das Klima, der Anfang Dezember 75.000 Teilnehmer auf die Beine gebracht hatte.
Die Politik kann die Sorgen all dieser Demonstranten denn auch eigentlich nicht mehr ignorieren. Dessen ist man sich wohl auch bewusst. Was denn auch teilweise erstaunliche Blüten treibt. Etwa dann, wenn Energieministerin Marie-Christine Marghem Verständnis für die Schülerdemos aufbringt, mehr noch, wenn sie das Anliegen sogar unterstützt.
"Schwierig, sich auf eine Linie zu verständigen"
"Frau Marghem, fühlen sie sich da so gar nicht angesprochen?", würde man da gerne antworten. Denn es ist doch so, dass die meisten dieser Demonstranten die Untätigkeit der Politik in Sachen Klimaschutz anprangern. Und wenn man jemanden benennen müsste, der oder die dafür stellvertretend stehen könnte, dann wäre das doch wohl in erster Linie die zuständige Energieministerin.
Marghem will sich diesen Schuh aber nicht anziehen, zumindest nicht alleine. In Belgien gebe es nun mal vier zuständige Minister; die Regionen sitzen da ja mit am Tisch. Und da sei es eben schwierig, sich auf eine Linie zu verständigen.
Das hat anscheinend dann auch zu einer Episode geführt, die aus Sicht der Demonstranten wie die Faust aufs Auge passte. Kurz nach dem Klimamarsch vom 2. Dezember hat Belgien nämlich auf der Klimaschutzkonferenz im polnischen Kattowitz ein eher unrühmliches Bild abgegeben: Als sich einige Länder zu einer Koalition zusammengeschlossen hatten, die sich zu ehrgeizigeren Zielen verpflichten wollten, machte Belgien nicht mit.
"Ja, zugegeben, das war tatsächlich keine Sternstunde", räumt Marghem ein. "Wir haben uns danach auch mal ernsthaft infrage gestellt", fügt Marghem hinzu. Und man habe auch Konsequenzen gezogen. Föderalstaat und Regionen haben beschlossen, sich häufiger zu treffen, um die Standpunkte besser abzusprechen.
Viel geredet, wenig getan
Nur: Ist es nicht genau das, was die Demonstranten kritisieren? Eben, dass viel geredet, aber letztlich wenig getan wird? Die Frage stand auch im Mittelpunkt einer Diskussionsrunde im VRT-Politmagazin Terzake. Und von den Regierungsparteien wollte sich da niemand Untätigkeit unterstellen lassen. Man könne jetzt nun wirklich nicht behaupten, dass in Sachen Klimaschutz bislang nichts passiert sei, sagte etwa CD&V-Chef Wouter Beke. "Wir haben die Kyoto-Normen eingehalten; unsere 2020-Ziele werden wir auch erreichen." Was natürlich nicht heiße, dass man nicht noch mehr tun muss.
"Totaler Quatsch", erwidert die Groen-Vorsitzende Meyrem Almaci. "Stimmt doch alles nicht. Wir haben keine einzige Norm respektiert." Allerdings, gibt die OpenVLD-Präsidentin Gwendolyn Rutten zu bedenken: "Wenn wir die Menschen nicht mitnehmen, dann reden wir nächste Woche wieder über Gelbwesten. Wir können nicht Klimaschutz auf dem Rücken der Bürger und Unternehmen machen".
CD&V-Chef Wouter Beke gab dennoch ein Beispiel, dass nicht alle Maßnahmen gleich mit der rauen Realität kollidieren müssen: In Belgien gebe es unheimlich viele Firmenwagen. In der nächsten Legislaturperiode sollte die Regierung dafür sorgen, dass hier schrittweise nur noch emissionsfreie Fahrzeuge steuerlich begünstigt werden.
Das alles nur, um zu sagen: Zwischen den Sorgen und Forderungen der Straße und dem, was die Politik leisten kann und will, da ist der Graben immer noch ziemlich tief...
Einige von 35.000: Auch ostbelgische Schüler bei der Klimademo in Brüssel
Roger Pint