Überraschend ja. Strategisch unklug: Nein. Denn die Entscheidung von Benoît Lutgen, als Parteipräsident zurückzutreten, lanciert die CDH wieder als eine interessante Partei innerhalb der Rechenspiele, die im Vorfeld der Föderal- und Regionalwahlen im Mai aufgestellt werden.
Obwohl Lutgen selbst das gar nicht so sieht, beziehungsweise nach außen hin verkauft. Gefragt danach, warum er denn jetzt zurücktrete, sagte Lutgen in der RTBF: "Ich gehöre nicht zu denjenigen, die sich an Ämter und Mandate klammern. Oder die sagen: Ich bin der Einzige, der ein Projekt und Werte vertreten kann."
Außerdem wies Lutgen darauf hin, dass seine Zeit als Präsident der CDH ohnehin langsam abläuft. Ende des Jahres müsste er sein Amt abgeben. Denn mehr als zweimal hintereinander darf ein Präsident bei der CDH nicht gewählt werden.
Rotes Tuch für die PS
Lutgen war im Dezember 2009 erstmals zum Präsidenten der CDH gewählt worden. Damals zunächst noch als Doppelspitze mit Joëlle Milquet, die bis dahin die CDH alleine geführt hatte. Lutgen stand damals für eine Öffnung der Partei Richtung rechts, im Gegensatz zu Milquet, die die CDH quasi zum ewigen Verbündeten der frankophonen Sozialisten gemacht hatte.
Mit Lutgen löste sich die CDH von diesem Image – zunächst eher theoretisch, ganz offensichtlich dann aber vor eineinhalb Jahren, als Lutgen wieder unerwartet ankündigte, alle Koalitionen mit der PS in den Regionen und in der Französischen Gemeinschaft zu beenden. Als Konsequenz aus den vielen Skandalen, die die PS damals erschütterten.
Der Coup gelang zwar nur in der Wallonie, wo Lutgens CDH jetzt mit der MR regiert. Viele bei der PS sprachen damals aber trotzdem von Verrat. Lutgen wurde zum roten Tuch für manche Sozialisten. Besonders für den äußerst populären Paul Magnette.
Ob durch seinen Rücktritt als Parteipräsident jetzt die Sozialisten wieder Interesse an der CDH als möglichen Koalitionspartner bekommen könnten, wollte ein RTBF-Journalist am Vormittag wissen: "Wenn das die Konsequenz aus meinem Schritt ist, dann ist das umso besser", antwortete Lutgen. "Ich selbst habe nie nur mit exklusiven Partnern zusammengearbeitet."
Grenzen gab es allerdings auch für Lutgen: Eine Zusammenarbeit mit der N-VA schloss der 48-Jährige immer aus. Das hatte unter anderem verhindert, dass die CDH Teil der letzten föderalen Regierung wurde. Jetzt könnte sich das ändern.
Prévot wahrscheinlich Nachfolger
Denn gefühlt kommt als Nachfolger von Lutgen im Grund nur einer bei der CDH in Frage: Der aktuelle Bürgermeister von Namur, Maxime Prévot. Lutgen selbst brachte Mittwoch den Namen Prévot ins Spiel: "Ich trete auch nur deshalb jetzt zurück in vollem Vertrauen darauf, das Richtige zu tun, weil mir bereits einige, besonders Maxime Prévot, mitgeteilt haben, dass sie meine Nachfolge antreten würden, falls die Parteimitglieder das so entscheiden sollten."
Maxime Prévot als neuer CDH-Präsident würde tatsächlich viele Vorteile für die Partei bieten. Mit 40 Jahren ist er noch einmal etwas jünger als Lutgen. Er wäre ein frisches Gesicht an der Spitze der Partei, in Namur erfolgreicher Bürgermeister und – vor allem – offen nach allen Seiten.
Sowohl zur PS und da besonders zu Paul Magnette unterhält Prévot gute Beziehungen, als auch zu MR und Ecolo, mit denen er in Namur regiert. Berührungsängste zur N-VA hat Prévot nicht. All das könnte wichtig sein für mögliche Koalitionen, an denen sich die CDH nach den Wahlen im Mai eventuell beteiligen könnte.
Lutgen als Politiker könnte bei diesen Rechenspielen dann auch noch durchaus eine Rolle spielen: "Ich verlasse mit meinem Schritt nicht die nationale Politik", sagte Lutgen.
In welcher Form er der nationalen Politik erhalten bleiben könnte, ließ er offen. Das sei auch eine Entscheidung des neuen Parteipräsidenten, sagte Lutgen, der auch betonte, ja noch Bürgermeister von Bastogne zu sein. Ein Amt, in das er gerade erst wieder neu gewählt worden ist, und das er natürlich weiter ausüben wolle.
b/sh