Die Regierung ist vielleicht nur noch geschäftsführend im Amt, die traditionelle Fragestunde im Plenum der Kammer wurde dafür aber nicht auf Eis gelegt. Und das ist auch gut so. Das war nämlich der ideale Rahmen, um die jüngsten Ereignisse um den Telekomanbieter Proximus einmal von allen Seiten auszuleuchten.
Erstmal steht da die Ankündigung: Proximus will 1.900 Arbeitsplätze abbauen. Parallel dazu will das Unternehmen 1.250 neue Mitarbeiter einstellen. Man wolle und müsse sich auf die neuen Herausforderungen einstellen, begründete Proximus-Chefin Dominique Leroy den Schritt. Sprich: Überflüssig gewordene Jobs streichen, um Fachkräfte zu rekrutieren, die moderne Internet-Dienstleistungen entwickeln sollen.
In den Ohren der betroffenen Mitarbeiter kann all das allerdings nur zynisch klingen. Sie müssen um ihren Job bangen. Und das in einem Unternehmen, das - wie das Management gerne betont - üppige Gewinne einfährt, wetterte Karine Lalieux von der PS. Das sei absolut inakzeptabel.
Fragen über Fragen
Raoul Hedebouw von der marxistischen PTB schlug in dieselbe Kerbe. "'Jobs Jobs, Jobs'? Von wegen!", giftete Hedebouw in Richtung von Premierminister Charles Michel. Wie hohl muss dieser Slogan in den Ohren der Proximus-Mitarbeiter klingen? Und das ausgerechnet in einem Unternehmen, in dem der Staat Mehrheitsaktionär ist, wettert die linke Opposition im Chor.
Aber, apropos, sagt Gilles Vanden Burre von Ecolo: "Herr Premierminister! Sie können uns doch nicht weismachen, dass Sie nichts davon gewusst haben!? Wie ist das möglich?" Tatsächlich ist der belgische Staat ja im Verwaltungsrat von Proximus vertreten und ist als Mehrheitsaktionär sogar tonangebend.
Viele Fragen also an den Premier. Doch wollte der erstmal die Kirche wieder ins Dorf zurückbringen. Er habe viele Unwahrheiten und viele irreführende, demagogische Aussagen gehört, sagte Michel. Wichtigster Punkt: Bei alledem handele es sich bislang zunächst um eine Absicht des Management. Diese Absicht sei dem Verwaltungsrat unterbreitet worden. Und der Verwaltungsrat habe die Absicht bislang lediglich zur Kenntnis genommen, nicht verabschiedet. Der Verwaltungsrat habe dem Management also bislang nur ein Mandat gegeben, um die Gewerkschaften zu konsultieren. Wir stehen hier also allenfalls am Anfang.
Noch nichts beschlossen
Heißt im Klartext: Da ist noch nichts beschlossen. Rein gar nichts. Ja, das Management von Proximus will den Betrieb umbauen, aber das ist bislang nicht mehr als eben eine Absicht. Heißt: Die Regierung behält sich das Recht vor, diesen Plan im Verwaltungsrat zu blockieren.
Was nicht heißt, dass man das Management so gar nicht versteht. "Wir sind uns darüber im Klaren, dass sich ein Unternehmen wie Proximus auf die Herausforderungen der heutigen Zeit einstellen muss", sagt Michel. Nur haben wir Nachbesserungen an den bisherigen Plänen gefordert. In dem Sinne, dass der Soziale Dialog maximal sein müsse.
Michel gibt also mehr denn je die Order aus, dass das Management alles dafür tun muss, um betriebsbedingte Kündigungen mit allen Mitteln zu vermeiden. Etwa, indem man die Mitarbeiter betriebsintern umschult.
Vierter Anbieter problematisch?
Und noch eine Debatte entbehre eigentlich jeder Grundlage, hakt der CD&V-Vizepremier und Wirtschaftsminister Kris Peeters ein: OpenVLD und N-VA hätten mehrmals jeglicher Form von Vorruhestandsregelung eine Absage erteilt. Damit das ein für allemal klar sei, sagte Peeters: Eine solche Regelung käme für Proximus gar nicht in Betracht, diese Frage stehe schlicht und einfach nicht zur Debatte.
Der neue Minister für Telekommunikation und Staatsbetriebe, Philippe De Backer, wollte schließlich auch noch eine oft gehörte Geschichte aus der Welt schaffen. Ist der mögliche Markteintritt eines vierten Anbieters ein Problem? Nun, man habe die Frage dem Proximus-Management gestellt. Und die Antwort laute: Nein, der vierte Anbieter sei nicht das Problem.
Wenn auch die Opposition bei ihrer Kritik blieb, die Kammersitzung hat immerhin dafür gesorgt, dass einige Dinge mal ausgesprochen und auch klargestellt worden sind.
Die Proximus-Aktie hat am Donnerstag an der Börse in Brüssel um 3,24 Prozent nachgegeben. Das war der größte Verlust innerhalb des Aktienindexes Bel20. Die Aktie von Konkurrent Telenet verlor rund zwei Prozent. (belga/km)
Roger Pint