Von der Straße aus vor dem Jüdischen Museum in Brüssel ist die Kuppel des Justizpalastes zu sehen. Nur wenige hundert Meter trennen den Ort des Anschlags von damals von dem Ort, wo der Prozess gegen den mutmaßlichen Attentäter Mehdi Nemmouche jetzt stattfindet.
Jeden Tag, wenn sie in den nächsten Wochen zur Arbeit kommen, werden die Mitarbeiter des Museums also automatisch an diesen Prozess erinnert werden. "Für uns ist das natürlich ein ganz wichtiger Prozess", sagt Museumsleiterin Pascale Falek Alhadeff. "Wir wollen, dass die Wahrheit bezüglich des Anschlags ans Licht gebracht wird. Wir setzen unser volles Vertrauen in die Justiz."
Heute wäre der Anschlag von damals nicht mehr in der Art möglich, wie er stattgefunden hat. Damals konnte der Täter ungehindert in das Museum eindringen und mit einem Gewehr um sich schießen. Heute müsste er zunächst an Soldaten vorbei, die immer noch den Eingang des Museums bewachen. Und einfach hineinspazieren in das Gebäude könnte er auch nicht mehr. "Noch heute sind die Sicherheitsvorkehrungen viel größer, als vor dem Anschlag. Wir haben zum Beispiel eine Sicherheitsschleuse, schauen in die Taschen der Besucher, bestehen darauf, dass Kleider und Taschen an der Garderobe und in Schließfächern bleiben", sagt die Museumsleiterin.
Mehr Sicherheit also als Konsequenz des damaligen Anschlags. Aber auch inhaltlich hat man sich neu ausgerichtet. Das Attentat hat dazu geführt, dass sich das Museum öffnen will. "Wir wollten die Themenpalette erweitern, mit der sich das Museum beschäftigt", sagt Ausstellungsdirektor Bruno Benvindo. "Natürlich soll es weiter um jüdische Kultur gehen, aber auch ganz grundsätzlich um Themen wie das Zusammenleben von Menschen, den interkulturellen Dialog, Identität allgemein."
Ein Blick auf die Ausstellungen, die das Jüdische Museum seit seiner Wiedereröffnung nach dem Anschlag organisiert hat, bestätigt diesen Willen zur Öffnung. "Juden und Moslems, Kultur und Austausch", hieß zum Beispiel eine Ausstellung, die 2017 monatelang im Museum zu sehen war. "Brüssel - eine Stadt, in der man herzlich empfangen wird?", so der Titel der direkt nachfolgenden Ausstellung.
Das Museum arbeitet jetzt auch mit der weltbekannten Fotoagentur Magnum zusammen, die sich einen humanistischen Ansatz für ihre Arbeiten auf die Fahne geschrieben hat.
Doch nicht nur thematisch sollte eine Öffnung erfolgen. "Wir wollten uns auch öffnen gegenüber neuen Zielgruppen, gegenüber Menschen aus etwas schwierigen Lebensverhältnissen. Gegenüber Bürgerhäusern, Jugendeinrichtungen und Schulen", sagt Ausstellungsdirektor Benvindo.
Mehr Abschottung nach außen, um den Zugang in das Gebäude zu erschweren, mehr Offenheit in der inhaltlichen Gestaltung des Museums, um mehr und vor allem auch verschiedene Menschen in das Museum zu locken: Das Jüdische Museum in Brüssel hat den Anschlag von damals in positive Energie umgesetzt. Zur Verarbeitung der schockierenden Ereignisse von damals sagt Museumsleiterin Pascale Falek Alhadeff: "Die Sache wird nie ganz abgeschlossen sein. Und gleichzeitig ist es sie manchmal schon. Wenn wir uns im Alltag mit inhaltlichen Aufgaben beschäftigen, dann denken wir tatsächlich nicht immer an den Anschlag."
Jury für Geschworenenprozess zusammengestellt
Am Brüsseler Geschworenengericht ist Montagmittag die Jury zusammengestellt worden für den Prozess zum Anschlag auf das jüdische Museum 2014. Die Jury besteht aus acht Männern und vier Frauen. Zuvor hatte das Gericht 68 von 200 Kandidaten aus unterschiedlichen Gründen freigestellt. Dann wurden die zwölf Geschworenen gezogen. Außerdem wurden zwölf Ersatzkandidaten bestimmt.
Angeklagt sind die beiden Franzosen Mehdi Nemmouche und Nacer Bendrer. Der Anschlag wird der Terrorgruppe Islamischer Staat angelastet. Am 24. Mai 2014 waren vier Menschen in dem Museum erschossen worden. Der Hauptverdächtige, Mehdi Nemmouche, streitet ab, in das Attentat verwickelt zu sein.
Der eigentliche Prozess beginnt diesen Donnerstag. Die beiden Angeklagten werden nächste Woche Dienstag, Mittwoch und Donnerstag befragt.
Der Geschworenenprozess wird bis März dauern.
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